Süßer König Jesus (German Edition)
Mädchen an, ein offenes freundliches Lächeln, das ihr vermitteln sollte, sie habe nichts zu befürchten.
»Wie viel Geld hast du?«, wandte sich Elise an mich.
»Ich weiß nicht«, sagte ich und blickte verstohlen zu dem Mädchen hinüber. »Fünfzig?«
»Du hast mehr«, sagte sie.
»Du hättest dieser Frau nicht dein ganzes Geld geben sollen.«
»Gib mir fünf.«
Ich gab ihr zehn und schob mit dem Ellbogen die Tür auf. Jetzt, wo ich selbst verdienen musste, war Geld kostbar geworden. In meinem Job in einem Süßwarenladen musste ich Eis in Tüten schaben, und ich war nicht sehr effektiv. Und egal, wie viel man mir zahlte, es schien nie genug.
Ich ging ein paarmal vor den Getränkekühlschränken auf und ab, dann fiel meine Wahl auf ein Yoo-hoo. Anschließend blieb ich im Gang mit den Süßigkeiten stehen, versuchte, mich zu entscheiden. Der Typ an der Kasse beobachtete mich, und ich drehte ihm den Rücken zu, damit es so aussah, als wolle ich etwas in meiner Tasche oder meinen Shorts verschwinden lassen. Ich hatte nie geklaut, aber wenn man mich derart scharf beobachtete, fühlte ich mich schuldig und wollte erwischt und für unschuldig erklärt werden.
Ich nahm schließlich eine Packung Skittles und eine XL- Packung Snickers und zog noch eine Tüte Karamell Bugles in Betracht.
Seit bei unserem Vater Diabetes diagnostiziert worden war, versuchte unsere Mutter uns eine gesündere Ernährung nahezubringen – sie briet das Gemüse mit Sprühfett und buk die Hühnchen in Panade aus Cornflakes. Sie tauschte die normale Mayonnaise und den Frischkäse gegen entsprechende Magerversionen aus, was wir sofort bemerkten und wofür wir sie zur Rede stellten. Dann versuchte sie eine neue Taktik. Sie begann, unbekannte, exotische Gerichte zu kochen, für die wir keine Namen hatten; neulich zum Beispiel: flambierte Orangensuppe mit Tomaten, Auberginen und Kichererbsen.
»Was kosten die?«, fragte ich den Typ und nahm ein hartgekochtes Ei aus dem Korb.
»35 Cent«, sagte er. Er war abnorm groß und hatte seine spindeldürren Arme vor der Brust verschränkt.
»35 Cent«, wiederholte ich.
Er schob sich das Haar aus dem Gesicht, und ich legte das Ei auf den Tresen, achtsam, damit es nicht davonrollte. Ich zahlte und schaufelte alles in meine Tasche. Er gab mir sechzehn Cent heraus, und ich warf sie in das Geben-und-nehmen-Spenden-Schälchen. Zu viel, wahrscheinlich, für diese Schale.
Draußen stand das Mädchen und rauchte. Zu ihren Füßen lag ein Hund. Im Sonnenlicht sah sie überhaupt nicht schön aus. Unter dem einen Auge hatte sie eine kleine, erhabene Narbe und Mitesser an den Nasenflügeln.
»Ist das dein Hund?«, fragte ich.
»Nein.«
»Wie heißt er?«
»Ich sag doch, er gehört mir nicht.«
»Was ist das für einer?«
»Bist du taub?«, sagte sie. Und dann: »Ein Blauer Heuler.«
»Beißt er?«, fragte ich und ging in die Hocke, um ihn zu streicheln.
»Weiß nich, hab ihn eben erst gefunden.« Sie hielt inne und sagte: »Ich hab gehört, es gibt auch bissige Heuler, nicht gerade die besten Begleithunde. Der hier ist aber okay, das sieht man am Blick.« Sie wollte noch etwas sagen, schwieg aber, als sei ihr plötzlich eingefallen, dass sie keinen Grund hatte, mit mir zu sprechen. Ich strich dem Hund über seinen, im Vergleich zum Körper klein geratenen, Kopf und überlegte, ob ich dem Mädchen Geld geben sollte, damit sie ihn füttern konnte, aber ich wollte nicht, dass sie damit Kondome oder Zigaretten kaufte.
Ich versuchte, mir weitere Fragen auszudenken für meine Informations-Sammel-Mission, aber es fielen mir nur Fragen ein, die man mit ein oder zwei Wörtern beantworten konnte: ja, nein, verpiss dich.
Der Hund sah mich an und ich ihn, und plötzlich ging es mir, wie es mir manchmal bei Hunden und Kindern geht, ich hab das Gefühl, sie können sehen, wie schlecht ich bin, und warten nur darauf, dass ich meine Hand hebe und mit aller Wucht zuschlage.
Elise kam heraus, in der Hand ein rot-weiß-blau gefärbtes Eis am Stil – eine Rakete – wie wir sie früher immer beim Eismann an der Ecke gekauft hatten. »Wie heißt er?«, fragte sie.
Das Mädchen wiederholte, was sie mir erzählt hatte, dass sie den Hund eben erst gefunden oder der Hund sie gefunden habe. »Ich bin unterwegs«, fügte sie hinzu. »Ich kann den Hund nicht andauernd bei mir haben.«
Meine Schwester hielt das Eis von sich weg, damit es nicht auf ihr Shirt tropfte, streckte den Hals und biss ab. »Wohin geht’s?«
»Las
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