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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Vegas«, sagte das Mädchen.
    »Warum Las Vegas?«
    »Warst du schon mal in Las Vegas?«
    »Nein.«
    »Dann kann ich’s dir auch nicht erklären«, sagte sie.
    Das Eis lief an Elises Fäusten hinab, rot-blaue Linien überzogen ihre Hand und tropften aufs Pflaster.
    »Ich wohne im Paris«, redete das Mädchen weiter. »Nachts leuchten da überall Sterne wie an einem richtigen Nachthimmel.«
    Wahrscheinlich hatte sie das Hotel auf dem Reise-Kanal gesehen, dieser langweiligen Sendung mit dieser so was von langweiligen Frau-Samantha-Brown.
    Keine Ahnung, wer die ins Fernsehen gebracht hatte und warum man ihr auch noch eine eigene Sendung ermöglichte.
    ***
    Meine Mutter hörte im Auto Joyce Meyer. »Sprechen Sie mir nach«, sagte Joyce. »Ich muss nicht mehr bluten. Ich muss nicht bluten.« Das gefiel mir – nicht nur wie sie es betonte, auch der Gedanke, Leid sei etwas, das ich mir selbst antat und das ich nicht mehr nötig hatte. All mein Leid könne jetzt, genau in diesem Augenblick aufhören.
    Meine Mutter und ich mochten Joyce Meyer, aber sobald mein Vater ins Auto stieg, musste sie sie abschalten. Er sagte, sie konsultiere die Bibel nicht, aber meiner Meinung nach konnte er sie nicht ausstehen, weil sie laut war und von sich selbst eingenommen und, schlimmer als alles, weil sie unattraktiv war. Ich sah sie vor allem gern im Fernsehen, sie hatte immer diese Hosenanzüge an und war sorgfältig geschminkt, und wie sie immer und immer wieder Amen sagte, als sei es eine Frage. Amen? Amen? Sie ertrug es nicht, wenn das Publikum nicht reagierte. Dann fing sie von ihrem Mann an, erzählte, was er, Dave, gesagt habe, und das erinnerte die Männer daran, dass sie auch bloß eine Ehefrau war, und uns Frauen erinnerte es daran, dass wir immer nur Ehefrauen sind. Und trotzdem, sie stand auf der Bühne, und Dave saß im Publikum und wartete darauf, dass man ihn erwähnte.
    Wetten, sie hatte ’ne Menge Geld und gab so gut wie nie was davon ab. Wetten, sie aß jeden Tag Steak und schlief in Hotelzimmern mit dickem weißen Teppichboden.
    »Wo ist Dad?«, fragte ich und nahm einen Schluck Yoo-hoo.
    »Das Waffle House hat seinem Magen nicht gutgetan«, sagte sie.
    »Vermutlich können wir es auf die Liste der Lokale setzen, in denen wir nicht mehr essen werden.«
    Elise stieg ins Auto und fragte, wo Dad sei.
    »Toilette«, sagte meine Mutter und sah auf ihre Uhr, obwohl in der Mitte des Armaturenbretts eine eingebaut war.
    »Du hinkst jedem Gespräch eine Minute hinterher«, sagte ich. »Das nervt total.«
    Sie beugte sich zu mir und öffnete ihre Hand: ein rosa Feuerzeug, darauf stand in roten Glitzersteinchen Wahre Liebe . »Texaner müssen noch jeden Scheiß verschönern«, sagte sie. »Ich konnte mich nicht entscheiden zwischen dem hier und einem mit Elvis-Porträt – dem jungen Elvis. Hast du schon mal Fotos vom jungen Elvis gesehen?«
    »Klar.«
    »Er war unglaublich«, sagte sie und: »Ah, klasse, wir kriegen Joyce Meyer rein.«
    »Joyce quasselt über Gottesgehorsam und Begnadet-Sein«, sagte ich.
    »Tut sie doch immer, oder?«
    »Es sei denn, sie versucht zu erklären, warum auch den Guten Schlechtes widerfährt.«
    »Das dürfte schon etwas schwieriger sein. In welcher Stadt sind wir jetzt?«, sagte sie.
    »Beaumont«, sagte unsere Mutter.
    »Beaumont! Ich glaube, in Beaumont wurde Footloose gedreht«, sagte Elise. Wir verehrten Kevin Bacon. Kevin Bacon war nie schöner als in Footloose , vor allem in dieser Szene in der verlassenen Lagerhalle, wo er so voller Zorn tanzt, auch wenn man mitkriegt, dass es nicht immer Kevin Bacon selbst ist. Kaum schwenkt die Kamera, stimmt es nicht mehr, mal ist der Brustkorb zu breit, mal sind die Beine zu lang – schwer zu sagen.
    Unsere Mutter schaltete das Radio aus. Elise und ich beobachteten unseren Vater: er blieb stehen und zog sein freundliches Gesicht auf, die Hände an den Hüften. Er hatte eher breite, fast frauliche Hüften, die er immer irgendwie ins Spiel brachte.
    Er stieg ins Auto und ächzte dabei, als wolle er nach seinem Magen gefragt werden, nur um erzählen zu können, dass es ihm nicht gut ging. Er versuchte, den Rückspiegel wieder festzukleben, so lange, bis Elise vor Lachen fast platzte und ich ebenfalls zu lachen begann. Ich fürchtete, er würde wütend werden, aber er seufzte bloß und machte seine Coke auf. »Cocola« sagte er, und wenn er das sagte, stellte ich ihn mir immer als kleines Kind vor. War er ja auch irgendwann gewesen: Ein kleines Kind, das

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