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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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will › Honey, I Shrunk the Kids ‹ sehen und Pizza bestellen. Dürfen wir Pizza bestellen?« Keine Antwort. »Hallo!?«, sagte ich. Wie grässlich es klang, als es raus war.
    »Wenn wir einen Laden finden, der liefert«, sagte meine Mutter.
    Durch eine Baustelle wurde die Straße einspurig, und unser Vater streifte einen orangeroten Kegel; er wackelte, kippte aber nicht. Unsere Mutter legte ihm eine Hand in den Nacken, sagte, er mache das wirklich sehr gut, das tat sie immer, wenn er etwas wirklich schlecht machte, und ich kriegte dieses benebelte Gefühl, als sei ich außerhalb meines Körpers, als sei ich nicht wirklich, als sei das alles nicht wirklich und deshalb alles gleichgültig. Und wenn wir über eine Klippe hinausfahren würden, es wäre mir völlig gleichgültig. Und dann verschwand dieses Gefühl wieder, und ich war wieder in meinem Körper. Und ich drehte meine Handflächen nach oben und bewegte langsam die Finger, ich dachte, das sind deine Hände. Du bewegst die Hände. Manchmal kam mir das total unglaublich vor, aber jetzt fand ich es nur bescheuert. Das waren meine Hände, was denn sonst. Und ich konnte sie bewegen, na und?
    ***
    Als der Regen endlich aufhörte, war unser Vater mit den Nerven fertig.
    In der nächsten Stadt bog er zu einem Motel ab; eigentlich wollte er uns solche Orte immer ersparen – zwei Motels, zwei Fast-Food-Restaurants, eine Tankstelle und eine Bar –, allerdings sahen fast alle Kleinstädte, durch die wir gekommen waren, so aus. Die Fabriken hatten geschlossen, und die Leute blieben mit ein paar Lokalitäten zurück, um sich neu zu formieren und von dort aus einen besseren Ort zu finden, nur dass sie sich dann nie auf den Weg machten. Wovon lebten sie? Vielleicht bekamen sie alle Sozialhilfe oder Arbeitslosenstütze. Wir blieben im Auto, während er in die Rezeption ging und im Radio Taylor Swift lief, dann Garth Brooks. Martina McBride war grade halb durch, da signalisierte unser Vater Daumen hoch, und wir stiegen aus. Das Pflaster war kein bisschen nass. Sah aus, als hätte es hier überhaupt nicht geregnet.
    »Haben wir ein Zimmer für uns?«, fragte Elise.
    »Heute nicht«, sagte er.
    »Ich dachte, du zahlst alles mit deiner Kreditkarte«, sagte sie. In der Rechnung, die Elise aufmachte, war die Kreditkarte kostenloses Geld, da er ja glaubte, er werde nicht mehr hier sein, um es zurückzuzahlen. Sie verstand nicht, warum wir nicht in Viersternehotels wohnten und in vornehmen, extrabreiten Doppelbetten schliefen.
    Während wir unser Zeug zusammensammelten, wies meine Mutter darauf hin, dass das Motel gerade renoviert wurde: Fernseher waren ins Freie geschoben worden, an den Hauswänden lehnten Bettgestelle und Matratzen, Stapel von Teppichrollen.
    Unser Zimmer sah allerdings aus, als wäre es nicht renoviert worden, seitdem das Haus vor sehr langer, langer Zeit erbaut worden war.
    Wir stellten unser Gepäck ab, und unser Vater ging Eis besorgen: es war immer das Erste, was er tat. Ich begab mich ins Bad, das behindertengerecht eingerichtet war: überall Stangen und in der Wanne eine klebrige Matte, damit man nicht ausrutschte und sich den Kopf aufschlug, aber ich wollte hier nicht duschen. Ich stützte einen Ellbogen auf eine der Stangen und hörte Elise klagen. Nur Drogenabhängige hätten schwarze T-Shirts an, sagte sie, und Jungs, die in Kantinen sitzen, riesige Sandwiches verdrücken und Mangas lesen. Mädchen wie Elise setzten sich nie in die Kantine – man fand sie in dem kleinen wasserlosen Graben im Hof, die Beine ausgestreckt, damit sie braun werden könnten. Sie reichten Tüten mit Trauben und jungen Möhren herum, denn sie fanden Essen in der Öffentlichkeit erniedrigend, und wenn es sich schon nicht vermeiden ließe, sollte, was sie aßen, wenigstens ordentlich und hübsch aussehen.
    Ich riss die Tür auf, sauste an ihnen vorbei, schälte die Überdecke von dem Bett, das dem Bad am nächsten lag. Die Oberseite war glatt und seidig, auf der Unterseite zog sie Fäden. Ich schlug das obere Laken zurück und suchte die kurzen schwarzen Haare, die so oft mit in das Gewebe hineinverwoben sind. Keine zu sehen, also legte ich mich hin und zog das Laken bis zum Kinn hoch. Es roch sauber wie Bleiche, und ich dachte an eine Sendung, die ich gesehen hatte. Es ging um Schädlinge, die man nicht mehr loswurde. Die Familie mit den Bettwanzen hatte sie in einem Motel genau wie diesem hier mit in den Koffer gepackt und nach Hause geschleppt. Zähe Käfer, die sich

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