Süßer König Jesus (German Edition)
sagte Elise. »Kann ich vorn sitzen?«
»Können wir die Plätze beim nächsten Halt tauschen?«, sagte unser Vater.
»Nein, ich muss jetzt nach vorn.«
Er bog in ein McDonald’s. Elise und unsere Mutter tauschten und wir beschlossen, wennschon-dennschon, uns ein Eis zu holen. Danach waren alle viel besser drauf.
»Hallo«, sagte ich und sah zu meiner Mutter hinüber, zwischen deren Schenkeln ein Schoko-Milchshake klemmte. Sie nahm meine Hand. Ich überließ sie ihr einen Moment und zog sie dann weg. Ich griff meinen Milchshake und drehte den Kopf zum Fenster. Irgendwann hatten sich meine Gefühle für meine Eltern verändert. Meistens empfand ich nichts, und ich hatte keine Ahnung, über was ich mit ihnen hätte reden können, doch wurde dies regelmäßig durchbrochen von kurzen, niederschmetternden Gefühlen der Liebe, so intensiv, dass man nichts tun konnte, als sie sofort zurückzuweisen.
***
Um früh zu Abend zu essen, hielten wir bei einem einer Tankstelle angegliederten Grillrestaurant. Die meisten Tankstellen hatten inzwischen solche Erweiterungen. In Louisiana hatten wir an einer Tankstelle mit angebautem Sonnenstudio gehalten, und Elise hatte sich gebräunt, das Baby geröstet, während wir anderen Krabben à la po’ boy aßen.
Ein hübscher Soldat hielt uns die Tür auf und nannte Elise und mich Ma’am.
»Vielen Dank, Sir«, sagte Elise und nickte ihm zu.
»Danke«, sagte ich, er sollte zu mir schauen und sehen, dass es mich auch gab. Für den Bruchteil von Sekunden berührte er meine Schulter. Ich liebe dich, dachte ich, und es kam mir vor wie die Wahrheit.
Das Lokal war voll von Militärs, sie trugen Käppis und Hosen und steife, langärmelige Hemden. Der Stoff wirkte fest und unbequem, aber irgendwie gelang es ihnen, frisch auszusehen.
Wir bestellten vorn an der Theke, und da kein Vierertisch mehr frei war, setzten meine Eltern sich an einen Tisch für zwei, und wir setzten uns an genauso einen. Aber weit genug entfernt, um nicht mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden.
Ich beobachtete, wie Elise den Gummi von ihrem Pferdeschwanz streifte und ihr Haar mit den Fingern kämmte. Dann warf sie den Kopf hin und her, und bündelte, was noch lose herabhing, wieder nach oben. Das Ganze dauerte mindestens eine Minute. Ich wollte über das japanische Mädchen sprechen und über den toten Mann, doch Elise warf mir immer vor, ich hielte mich ständig mit Negativem auf. Debbie Déri nannte sie mich dann.
Ihr Handy summte. Sie las die Nachricht, und als sie ihre Antwort eintippte, lächelte sie. Kaum hatte sie es hingelegt, summte es wieder. Ich sah mich um und entdeckte den attraktiven Soldaten. Er war der bei weitem bestaussehende Soldat in diesem Raum, groß, braungebrannt, breite Schultern. Er könnte mich ohne Problem hochheben.
»Dan ist so süß«, sagte sie und zeigte mir das Bild, das er geschickt hatte. Er schaute übertrieben traurig in die Kamera – Unterlippe nach vorn gestülpt, Kopf schräg –, als habe er etwas falsch gemacht. »Ist er nicht süß?«
»Schon. Seine Augen sind ziemlich gerötet.« Ich dachte daran, wie die beiden in unserer Bude zusammen auf dem Sofa fernschauten, wie sie einen Raum bildeten, in dem kein anderer erwünscht war. Ich mochte Dan nicht. Er verdrehte ständig die Wörter, zu Facebook sagte er »Book of Faces«, so Zeugs eben. Elise schaute zum Fenster hinaus, und ich starrte die zarten blauen Venen auf ihrer Schläfe an, sie schlängelten sich wie die Flüsse auf Landkarten. Sie waren das Einzige an ihr, das nicht hübsch war.
Unser Vater brachte unser Essen auf Plastiktellern. »Wer kriegt was?«, fragte er.
»Ich den ohne Schwein«, sagte Elise.
Er stellte beide hin, den mit Schwein vor Elise, und senkte den Kopf.
»Beten können wir allein, Dad«, sagte sie. Sie sah kurz zu ihm auf und wandte sich wieder ihrem Handy zu.
Wahrscheinlich fand er es grässlich, dass er Töchter hatte – wir angelten nicht, wir gingen nicht zur Jagd, wir schliefen mit Jungs oder würden irgendwann mit ihnen schlafen. Ich stieß sie unter dem Tisch an.
Mein Vater legte mir die Hand auf den Rücken, tätschelte ein paarmal und ging zurück an seinen Tisch.
»Du Idiotin.« Ich tauschte unser Essen und quetschte Grillsauce aus einer schmierigen Flasche auf eine freie Stelle meines Tellers. »Dein Handy schmeiß ich jetzt gleich quer durch den Raum«, sagte ich.
»Lass mich mal kurz in Ruhe«, sagte sie. »Ich habe seit Tagen nicht mit Dan geredet.«
»Du meinst
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