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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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zusammen. Ich hatte schon Alkohol probiert, aber betrunken war ich nie gewesen. Auf Partys ging ich immer hinter einen Busch und schüttete meinen Drink weg, oder ich schloss mich in der Toilette ein und kippte das meiste ins Waschbecken. Einmal hatte ich meine Dose schräg gehalten, als ob ich so zu sei, dass ich nicht mehr wusste, wo oben und unten ist, bis ein Junge mich fragte, was zum Teufel ich da veranstalte, und ich merkte, dass es so nicht funktionierte. Ich wusste nicht, wie es funktioniert, aber ich hatte mitbekommen, wie Leute sich benahmen, wenn sie betrunken waren – Shannon schloss sich weinend in Toiletten ein. Einmal hatte sie einem Fremden auf einem Parkplatz einen Blowjob verschafft.
    Ich beobachtete die Flüssigkeit auf dem Teppich, sie zog nicht ein.
    »Ich vermisse Cole«, sagte Elise und drehte sich ein Zöpfchen ins Haar. Sie hätte im Fernsehen auftreten können, so hübsch war sie. Sie war so hübsch, dass sie es geschafft hatte, in null Komma nichts schwanger zu werden.
    »Ich wette, ohne uns ist er depressiv«, sagte ich.
    »Klar ist er depressiv – die haben ihn in einen Käfig gesteckt, in die eigene Scheiße, und er darf nur einmal am Tag raus.«
    »Wie furchtbar«, sagte ich.
    »Und ich vermisse Dan«, sagte sie.
    Mir schwante, dass nicht Dan der Vater war, sondern vielleicht Abe, aber Abe würde sie nicht erwähnen, weil er mit ihr Schluss gemacht und angefangen hatte, mit ihrer besten Freundin Laura Lee zu schlafen, oder vielleicht hatte er schon die ganze Zeit mit Laura Lee geschlafen. Es war Abes Kind – plötzlich war mir das völlig klar –, und einen Moment lang war ich froh. Aber dann fühlte ich mich schrecklich. Wenn Gott mir ins Herz schauen könnte, ich würde nie gerettet werden, und natürlich konnte er mir ins Herz schauen. Er war ja Gott.
    »Vielleicht darf Cole, wenn ich ihn in meinen Armen halte, mitkommen«, sagte ich. »Wie in Bill and Ted’s Excellent Adventure .«
    Sie stapelte Kissen übereinander, machte es sich bequem. »Diese Kissen sind zu groß. Ich wusste es. Wir hätten unsere eigenen mitbringen sollen.«
    »Ach, wir würden sie doch nur vergessen, und die Zimmermädchen würden sie ihren schmuddeligen Kindern mitbringen.«
    »Ich krieg ein’ Knick im Genick«, sagte sie.
    »Guter Spruch.«
    Sie lächelte mich an und sagte: »Ich muss noch in den Laden. Willst du irgendwas?« Aber dann nahm sie das Messer aus ihrer Tasche, klappte es auf und begann, die ausgefransten Stellen ihrer Shorts zu trimmen, und sammelte sie in einem Häufchen auf der Tagesdecke. Sie war das einzige Mädchen mit Taschenmesser, das ich kannte. Sie hatte es beim Trampen gefunden. Unser Vater nannte es einen ausgezeichneten Fund – ein teures Messer in gutem Zustand.
    »Unser Film fängt gleich an«, sagte ich.
    Sie streckte mir ihre Tasse entgegen. »Stoß noch mal an und gieß noch ein bisschen Wasser drauf.«
    Ich goss mehr ein, als ich sollte, und sie trank aus. Dann krabbelte sie quer übers Bett und ging zum Fenster hinüber.
    »Bleib doch hier«, sagte ich. »Ich würde dir gern Zöpfe flechten.«
    »Kannst du auch später.«
    »Das sagst du immer.«
    Sie nahm etwas Geld aus ihrem Portemonnaie, faltete es und steckte es in die Tasche. »Sollten sie zurückkommen, sag ihnen, ich versuche ein bisschen Gras aufzutreiben«, sagte sie und verließ das Zimmer.
    Ich sah nach, wie viel sie dabeihatte – siebenundfünfzig Dollar, fast so viel wie ich. Ich nahm mir zwei Fünfer und ließ sie in meine Handtasche fallen, dann trug ich die Flasche ins Bad und hielt sie unter den Wasserhahn. Ich füllte sie knapp über den Stand, den sie zuvor gehabt hatte. Ich dachte an das japanische Mädchen, das ausgesehen hatte, als schlafe es, wahrscheinlich aber tot war, ihr Inneres ein Matsch aus zerquetschten Organen und überall Blut. Ich stellte die Flasche zurück in den Handkoffer meiner Mutter und sah, wie es von den Shirts auf den Teppich tropfte und auf unsere Kleider und Schuhe. Mit all unserem Zeug wirkte das Zimmer leerer als vorher, als wir es noch nicht bezogen hatten.
    Ich goss meinen Drink aus, spülte die Tassen und nutzte eine für meine Zahnbürste. Dann nahm ich mein Handy mit nach draußen und ließ mich, den Rücken gegen die Tür gelehnt, nieder. Die Arbeiter waren verschwunden, und außer einer Schutzbrille gab es keinen Beweis dafür, dass sie jemals hier gewesen waren.
    ***
    Es war zehn nach acht, zwanzig nach, dann halb neun, und meine Eltern würden jeden Moment

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