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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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meinen Vater öffneten. Ich hatte sie nur kurz angeschaut, weil mir dabei etwas eingefallen war, das ich mal auf einer Übernachtungsparty erlebt und das mich total in Panik versetzt hatte: Ich stand vor einem Spiegel und sang »Bloody Mary«. Wie fürchterlich, wenn Jesus seine Augen geöffnet hätte. So fürchterlich, wie wenn im Spiegel die blutüberströmte Mary erschienen wäre. Hatte irgendjemand, seit es den Gebetsteppich gab, je Seine geöffneten Augen gesehen? Falls nicht und falls keiner sie je sehen würde, warum hieß es dann, dass sie sich öffneten?
    »Ruf sie an«, sagte meine Mutter.
    Ich mochte das Bild, das mir gerade eingefallen war: Elises Gesicht im Sperrholz-Körper eines Erdmännchens im Zoo von Atlanta. Es klingelte und klingelte. Ich legte auf, rief noch mal an, aber sie ging nicht ran, also sprach ich auf die Mailbox und versuchte, es so klingen zu lassen, als sei sie dran. Doch als meine Mutter fragte, wo sie sei, musste ich gestehen, dass ich auf die Mailbox gesprochen hatte.
    »Vielleicht ist ihr Handy verreckt«, sagte mein Vater. Elise ließ ihr Handy immer verrecken. Ich verstand nicht, warum die Leute ihre Handys andauernd verrecken ließen – man musste sie doch einfach nur über Nacht einstöpseln. Was waren das für Leute, die nicht mal das schafften?
    »Es ist nicht verreckt, es klingelt«, sagte ich.
    »Dann versuch’s noch mal.«
    Diesmal kam gleich die Voicemail.
    Mein Vater setzte sich an den Tisch und sagte: »Ich brauch mal ’n Kuli«. Er streckte seinen Arm zu meiner Mutter hin. Sie fand keinen Kuli, und der Arm blieb gestreckt, und die Hand daran winkte, während meine Mutter in ihrer Handtasche herumkramte.
    Er starrte lange auf die Gebetsanliegen, dann kringelte er eines ein, und ich fragte mich, welches. Dass all unsere Anliegen miteinander vermengt werden sollten, fand ich nicht gut, und auch nicht gut, dass er wusste, dass ich alle eingekringelt hatte. Er ließ sein Zeug auf dem Tisch liegen, nahm seinen Morgenmantel mit ins Bad, und als er kurz darauf wieder herauskam, hatte er ihn an.
    »Schalt mal zu den Nachrichten«, sagte er und stieg ins Bett.
    Mein Film war noch nicht ganz zu Ende – Big Russ wurde eben probeweise von der Maschine kaltgemacht –, doch ich zappte zu den Nachrichten durch, wo der Wettermann gerade die Vorhersage für den nächsten Tag zelebrierte.
    »Irgendwie vermiss ich unsern dicken alten Knaben«, sagte mein Vater und meinte Brett Barry, unseren Wettermann zu Hause.
    Ich stellte das Handy ins Ladegerät und sah meine Mutter an. Ich wusste, wir dachten beide an den letzten Sommer und wie Elise mit dem Barmann aus dem Hotel in Destin abgehauen war.
    Irgendwann nach drei Uhr früh war sie so betrunken zurückgekehrt, dass sie weder stehen noch sprechen konnte. Meine Mutter hatte sie ausgezogen und in die Badewanne gesteckt.
    Wir schlüpften in unsere Schuhe und gingen nach draußen.
    »Komm, lass uns kurz beten«, sagte sie und nahm meine Hände. Sie senkte den Kopf und schloss die Augen. Sie erbat Seinen Schutz, Sein Erbarmen, Seine Führung. Sie bat Ihn, uns zu behüten und uns sicher zu leiten. Sie sagte, wir seien schwache Sünder.
    »Mom?«, unterbrach ich sie.
    Sie hielt den Kopf gesenkt, meine Hände fest in ihrem Griff, und sagte schließlich: »Herr, Elise ist zu schön und naiv.« Sie drückte meine Hände und ließ sie los. Ich wollte auch zu schön und naiv sein. Keiner würde sich je für mich dafür entschuldigen, dass ich zu schön und naiv sei.
    Langsam gingen wir über den Parkplatz. Es war still, und die wenigen erleuchteten Zimmer wirkten verlassener als die dunklen.
    Bevor wir die Bar betraten, drehte sich meine Mutter zu mir um. Ich dachte daran, dass ich zu viel Wasser in die Flasche Whiskey gefüllt hatte. Dass ich es absichtlich getan hatte. Und dass mein Vater beim ersten kleinen Schluck fragen würde, was sie ihm in den Drink geschüttet habe.
    Sie öffnete die Tür, und wir traten ein. Ein kleiner Raum, auf der einen Seite einige Videospielautomaten, auf der anderen ein Billardtisch. Ich blieb im Licht des Zigarettenautomaten stehen und beobachtete, wie meine Mutter auf den Barmann zuging. Gut ein Dutzend Männer lehnte oder saß an der Bar oder drum herum, diese Art große, traurige Männer, die ständig Witze erzählen. Außer uns gab es nur noch eine Frau im Raum, sie war mager und spielte mit einem tätowierten Typen Billard.
    Während er zielte, warf er einen Blick auf mich, und ich kreuzte die Arme vor der

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