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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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nie jemanden »Sau« oder »Kuh« sagen hören in Bezug auf Fleisch.
    Ich aß den Burger und die Pommes, das Frosty hob ich mir für später auf.
    ***
    Auf dem Parkplatz kam einer auf meinen Vater zu und erzählte eine Geschichte von einer Leiche, die er in Oklahoma abholen müsse, und dem Benzingeld, das er dafür brauche. Mein Vater sagte, er habe selbst kaum Geld und wie viel er denn brauche, und der Mann sagte, sein älterer Bruder habe einen Autounfall gehabt, und außer ihm wäre da keiner, der das Recht habe … Der Körper liege seit drei Tagen in der Leichenhalle. Elise ging zum Auto hinüber. Mein Vater wiederholte, er habe selbst nicht viel Geld, und fragte noch mal, wie viel denn, und der Mann rechnete die Entfernung hin und zurück und schätzte, so um die achtzig Dollar. Als mein Vater zögerte, erzählte er, er habe einen Scheck über genau diese Summe, aber keine Zeit gehabt, ihn einzulösen. Er versprach, unsere Adresse zu notieren und es zurückzuzahlen, schwor, er werde das Geld bis Montag haben und sofort zur Post bringen.
    Wir ließen meinen Vater mit dem Mann, der weder ärmlich noch schmutzig gekleidet war, allein. Ein ganz normaler Typ, leicht übergewichtig, in getragenen, aber sauberen Klamotten.
    Von mir hätte er nichts bekommen, aber mich sah er ja auch nicht so an, mit diesem total bedürftigen Blick, der eine Antwort auf jede nur mögliche Frage zu sein schien.
    Meine Mutter und ich stiegen ins Auto. Sie drehte das Radio an, während Elise und ich die Szene weiter beobachteten.
    »Ich glaub’s nicht!«, sagte Elise. »Er gibt ihm Geld.«
    »Das ist schon okay«, sagte unsere Mutter.
    »Aber wir haben kein Geld.«
    »Wir haben genug.«
    »Wir wissen, dass er seinen Job verloren hat.«
    »Es geht euch nichts an, was euer Vater tut«, sagte unsere Mutter. »Er würde nichts geben, wenn wir nichts zu geben hätten.«
    »Stimmt das? Er hat seinen Job verloren?«, fragte ich und rührte in meinem Frosty, das halb geschmolzen noch besser schmeckte – wie eine leckere, kalte Suppe.
    »Und jetzt gibt er ihm noch mehr!«, sagte Elise. »Mein Gott. Jedem ist doch klar, dass das erfunden ist – bestimmt hat er es den ganzen Tag lang geübt.« Meine Mutter schaltete die Klimaanlage an und richtete sämtliche Luftdüsen auf sich selbst. »Wenn er dem Mann unsere Adresse gibt, dann ist er ein größerer Idiot, als ich dachte.«
    Unser Vater kam in den Wagen zurück, wischte sich mit beiden Händen den Schweiß aus dem Gesicht.
    »Wie viel hast du ihm gegeben?, fragte Elise.
    Es entstand eine lange Pause, dann, als könne er es selbst nicht glauben, sagte er: »Achtzig Dollar.«
    »Achtzig Dollar!«, sagte Elise.
    »Er braucht es dringender als wir.«
    »Hast du ihm einen Flyer gegeben?«, fragte ich.
    »Er steckt in einer schrecklichen Klemme«, sagte er.
    Mein Vater wusste, dass man ihn reingelegt hatte, blieb aber bei seiner Geschichte – er glaube ihm, und dieser Mann sei weder auf Drogen noch betrunken und befinde sich ganz offensichtlich in einer peinlichen Lage. Mir wurde fast übel, als ich die achtzig Dollar aus der Brieftasche meines Vaters wegdachte. Ich stellte mir den Mann in einem Spirituosenladen vor, wie er Steaks kaufte für eine Grillparty, wie er lachend die Geschichte von diesem Depp erzählte, der ihm achtzig Dollar gegeben hatte.
    »Hast du ihm unsere Adresse gegeben?«, fragte ich.
    »Geld verleihen ist eine Unsitte und schafft nur Ressentiments. Geld muss gegeben werden, ohne die Erwartung einer Rückzahlung«, sagte er und versuchte, ein Lehrstück draus zu machen.
    »Ich muss mich übergeben«, sagte Elise. »Halt an.«
    Unser Vater fuhr auf den breiten Seitenstreifen und schnitt dabei einen Lkw auf der rechten Spur. Der Lkw-Fahrer warf sich auf die Hupe; er hupte so lange, dass wir hören konnten, wie der Ton in der Ferne verklang. Elise stürzte aus dem Wagen, gab würgende Laute von sich, aber alles, was kam, war ein Speichelfaden.
    Nach mehreren Stunden – in denen das Radio geschwiegen hatte und alle schliefen oder zumindest so taten – nahm unser Vater eine Abfahrt. Ich hatte kein Tankstellenschild gesehen, also fuhr er auf gut Glück. Er hatte fast zu lange gewartet. Der Wagen teilte genau mit, wie viele Meilen er noch rollen konnte, bevor der Tank leer war, und jetzt waren wir auf acht, so weit runter waren wir außerhalb Montgomerys noch nie gewesen. In Montgomery hatte er es bis auf zwei geschafft.
    »Du hast schon mal kein Benzin mehr gehabt«, sagte unsere

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