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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Mutter.
    Elise und ich konnten uns zwar nicht daran erinnern, dass er je kein Benzin mehr gehabt hätte, doch er stritt es nicht ab. Und dann waren wir bei sieben Meilen und wieder klingelte die Anzeige – pling pling pling! Elise sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und stieß mich mit dem Ellbogen.
    Oben auf dem Hügel schauten wir nach links und rechts, sahen aber keine Tankstellenschilder, kein Schild für irgendwas in keiner Richtung.
    »Was meinst du?«, fragte er. »Links oder rechts?«
    »Warum haben wir nicht getankt, als wir mittags zum Essen angehalten haben?«, fragte meine Mutter.
    »Diese Frage ist weder relevant noch hilfreich, Barbara«, sagte er. Er nannte sie nie Barbara. Seltsam, ihren Namen zu hören.
    »Hilfreich, na ja, relevant auf jeden Fall, John «, sagte sie.
    »Fahr rechts«, sagte ich.
    »Das heißt also links«, sagte Elise. »Jess hat eine Fehltrefferquote von einhundert Prozent.«
    »Stimmt«, sagte ich. »So ist es.«
    Er bog links ab und fuhr ein Stück und dann noch ein Stück weiter. Er suchte eine Möglichkeit zum Wenden, da entdeckten wir sie: eine Tankstelle völlig abseits gelegen, Pflanzen rankten an dicken Betonmauern empor. Die Fenster waren vergittert und alle Werbetafeln in Spanisch. Es fiel schwer zu glauben, dass so weit draußen eine Tankstelle gebraucht wurde.
    »Wetten, die Toiletten sind außen«, sagte Elise, öffnete die Tür. »Ich hasse es, wenn sie außen sind.«
    »Ich mag diese Riesenschlüssel«, sagte ich.
    Unser Vater ging zum Zahlen hinein – die Zapfsäulen nahmen keine Kreditkarten –, und wir liefen ihm hinterher. Zwei Männer standen vor einem Kamin, rauchten und tranken Kaffee. Es war, als kämen wir in ihr Wohnzimmer spaziert. Sie verstummten und musterten uns, und einer von ihnen zeigte nach rechts hinten.
    Elise probierte den Griff, die Tür ging auf, und sie tastete nach dem Lichtschalter. Sie schloss die Tür, öffnete sie wieder und zog mich zu sich rein.
    »Ich glaube, das ist nur Fassade«, sagte sie. »Es gibt doch kaum was zu kaufen.«
    »Benzin zum Beispiel«, sagte ich.
    »Alles Fassade«, sagte sie, »glaub mir.«
    Die Flüssigseife war zu einer wässrigen rosa Suppe verdünnt. Ich pumpte mir etwas davon in die Hände und hielt sie unters Wasser, während Elise auf dem Klo hockte. Spiegel gab es keinen. Auch keine Kontur, die angedeutet hätte, dass da mal einer gewesen war.
    »Ich hasse das Reisen«, sagte Elise. »Die Leute glauben immer, Unbequemlichkeiten machten Spaß. Das stimmt nicht. Für mich ist das keine Herausforderung. Und ich lerne auch nichts.«
    »Wer sagt, Unbequemlichkeit mache Spaß?«
    »Ach, du weißt schon, diese Typen, die viel reisen. Gut ist nur, dass wenigstens meine Tage keine Überraschungsvorstellung geben.«
    »Das ist nicht lustig.«
    »Stimmt«, sagte sie. »Nicht lustig. Überhaupt nicht lustig. Gib mir mal ein Papiertuch, das Klopapier ist nass.«
    Vor der Tür warteten unsere Mutter und unser Vater.
    »Nehmt lieber Papiertücher«, sagte ich, als ich hinaustrat.
    Elise informierte die Männer, dass in der Toilette Klopapier fehle. Sie nickten bedächtig. Wir erwogen ein Eis am Stiel und meinten, dass Kokosnuss uns in Urlaubsstimmung brächte. Wir rissen die Verpackungen auf und legten sie auf den Tresen, lutschten und fassten die Brocken aus beigem Kandis ins Auge und die Chipstüten mit den verrückten Schriftzügen. Ich griff mir einen dicken Riegel mit Mandeln, und Elise nahm ihn mir aus der Hand und legte ihn zurück.
    »Mexikanische Süßigkeiten taugen nichts«, sagte sie. »Die schmecken nach nichts als Zucker.«
    »Ich mag Zucker.«
    »Ja, aber alter, abgestandener Zucker. Komm, wir schauen uns die Shirts an.«
    Wir flippten durch ein Regal mit T-Shirts in Übergrößen aus dicker, kratziger Baumwolle, bis Elise einen Stapel Cowboy Boots entdeckte.
    »Schau, schau«, sagte sie. »Ich spür’s genau. Heut ist mein Glückstag.«
    Sie untersuchte die Kartons, bis sie ein Paar grellblaue Stiefel in ihrer Größe fand. Sie behielt ihr Eis zwischen den Zähnen, während sie in einen hineinschlüpfte. »Ein bisschen groß«, sagte sie, drehte den Fuß mal so, mal so. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah mich an. »Was meinst du?«
    »Macht ein schönes Bein.«
    »Stimmt«, sagte sie und kickte nach einer Kühlbox aus Styropor.
    Unser Vater kam aus der Toilette, und ich winkte. Wenn ich ihm in der Öffentlichkeit begegnete – und sei es an einer ausgestorbenen Tankstelle in der Mitte

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