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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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die er in verschiedene pikante Saucen tunkte. Ich fand, dass ich anfangen sollte, meine Träume aufzuschreiben, Notizen zu machen. Das war nichts als ein weiterer Teil der Mission, die ich als die meine empfand.
    »Lake Amistad«, sagte unser Vater, indem er an die Fensterscheibe tippte. »Wetten, da lässt sich’s prima angeln.« Er schaute immer wieder zum See hinüber und drehte das Steuer jedes Mal ruckartig zurück. »O Mann«, sagte er. »Schaut mal, die vielen Boote.« Mein Vater hatte auch mal ein Boot gehabt, aber meine Mutter hatte es, ohne ihm was zu sagen, bei Craigslist reingestellt. Vom Carport aus hatte ich beobachtet, wie ein Mann mit einer Handvoll Bargeld ihn runterhandelte. Ich hatte selten Mitleid mit meinem Vater, aber an diesem Tag habe ich ihn mehr geliebt als je einen Menschen. Das Land wurde zunehmend karger. Ich versuchte eine Runde Solitär auf meinem Schoß, während Elise sich durch die Updates der Facebook-Profile scrollte. Sie erzählte mir, dass unser Cousin, der Sohn einer der Schwestern unseres Vaters, die wir nicht sonderlich gut kannten, mittlerweile Hellseher war. Unser Vater bekam es zufällig mit und wollte wissen, ob der Junge immer noch zweihundert Kilo schwer sei.
    »Keine Ahnung«, sagte Elise. »Woher soll ich das wissen?«
    »Du gehörst zu seinem Freundeskreis auf Facebook«, sagte ich.
    »Er hat aber kaum Fotos hochgeladen – du weißt schon, hässliche Leute nehmen ihre Kinderbilder fürs Profil? Er auch. Warte mal, eine Sekunde, hier sind Erfahrungsberichte. ›Cam McKnight hat einfach was, man fühlt sich schwerstens zu ihm hingezogen. Vom ersten Tag an wusste ich, er ist gut geerdet und gleichzeitig total spirituell drauf und mit dem Universum so verbunden, wie es nur wenige wirklich sind. Bei mir stimmte nicht nur alles auf den Punkt, sondern war auch unglaublich bewegend. Man spürt einfach, dass, woher auch immer Cam’s Einflüsterer zu ihm sprechen, es direkt durch sein Herz fließt, ein unermesslich starkes Herz mit einer grenzenlosen Liebe für die, die zu ihm kommen und in ihrem Leben eine Richtung suchen.‹ Wow«, sagte sie. »Glaubst du, das hat er selbst geschrieben?«
    »Klingt wie copy and paste aus einem Handbuch für Referenzschreiben«, sagte ich.
    »Absolut. Eine halbe Stunde Sitzung kostet fünfzig Dollar. Sollen wir einen Termin machen?«
    »Das wäre seltsam«, sagte ich.
    »Das lasst ihr mal schön bleiben«, sagte meine Mutter. »Was fehlt dem Jungen denn?«
    »Nichts«, sagte unser Vater und erwähnte ein paar Nichten und Neffen meiner Mutter – ein Schwuler mit einem Apartment voll leerer Aquarien, eine Magersüchtige, die einmal eine Handvoll Aspirin geschluckt hatte, um sich dann selbst in die Klinik zu fahren.
    »Ich mach einen Termin«, flüsterte Elise.
    Meine Mutter kippte ihre Sonnenblende runter, sah uns an und fragte, ob was im Busch sei.
    »Wir machen einen Termin bei unserem Hellseher.«
    »Wehe«, sagte sie. »Gebt mir eure Handys.«
    »Ist doch nur Spaß«, sagte Elise.
    »Her damit.«
    »Warum denn?«
    »Ich hab nichts gemacht«, sagte ich.
    »Gut, dann schaltet sie ab und packt sie weg«, sagte sie.
    »Meins ist schon weg«, sagte ich. Elise stellte ihres auf stumm, aber sie schaltete es nicht aus. Sie legte es auf ihr Bein, wo es weiterhin vibrierte und aufleuchtete, und keiner sagte etwas.
    ***
    Unser Vater hielt, ohne dass er uns gefragt hätte, bei Wendy’s. Ihm lag ebenso wenig wie uns daran, in einem Imbiss voller durchgeknallter Einheimischer zu landen und das Wagnis einer gebratenen Hühnchenbrust auf sich zu nehmen, wo er doch das Rinderpastetchen haben konnte, das er kannte und mochte. Wir alle mochten Wendy’s, außer Elise, die nur Burger King akzeptierte, weil es dort einen Veggie Burger gab, dafür allerdings waren die Pommes ziemlich mies. Die Zwiebelringe annehmbar, die Portionen – auch die großen – leider mickrig.
    Elise und ich gingen zur Toilette. Im kleinen Vorraum hatte sich eine Schlange gebildet, und ich konnte nirgendwo stehen, ohne den Händetrockner zu blockieren. In der Behinderten-Kabine belegte eine Mutter ihr Töchterchen mit Daueranweisungen, die hohe, fröhliche Stimme machte mich aggressiv: Jetzt wischen, jetzt das Höschen hochziehen, jetzt die Hose, Reißverschluss zu? Nein, nicht zu. Nein, das kannst du selber – du bist schon ein großes Mädchen . Irgendwie fühlte ich mich angesprochen.
    Elise versuchte, Dan zu erreichen, aber er ging nicht ran, also hinterließ sie eine

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