Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
Vom Netzwerk:
zurückgerufen hatten. Sie wollte ihr Gespräch nicht unterbrechen.
    »Ich habe keine Ahnung, wo wir sind«, sagte sie. »Wenn du mich fragst, könnten wir auch in Toocumterry sein.« Toocumterry war eine Version vom Arsch der Welt. Meine Mutter saß im Bett. Sie saß in dem Kleid im Bett, das wir ihr Fahrgemeinschafts-Kleid nannten; grün-blau gebatikt, alt und weich. Elise und ich trugen die Trägerhemden, in denen wir geschlafen hatten. Wir hatten unsere Sonnenbrillen auf, die Haare mit Haarklemmen nach oben gesteckt. Kombiniert mit meinem leichten Kater kam ich mir in dieser Aufmachung zynisch und cool vor.
    Ich ließ meine Arme über die Außenseite der Wanne baumeln und verfolgte, was im stummgeschalteten Fernseher lief, der Nicht-Event, der sich quer über den Globus spannte. Weder in China noch in Russland war es zur Entrückung gekommen. Und nicht in Japan, nicht in Vietnam oder Indien oder Kambodscha. Irgendwo in Australien ließ eine Gruppe Betrunkener auf einer Feier Helium-Ballons steigen, an denen aufblasbare Puppen befestigt waren.
    »Australier sind echt seltsam«, sagte Elise.
    »Du kennst doch gar keinen Australier«, sagte ich.
    »Weißt du’s?«
    »Wen denn?«
    Die Toilettenspülung ging, und unser Vater kam im Morgenmantel aus dem Badezimmer. Er hielt kurz inne, ehe er sich auf der Bettkante niederließ. »Ihr habt ja ganz schön anschreiben lassen, gestern am Pool«, sagte er. Er nahm seine Brille ab und hielt sich das Nasenbein. »Und der Zimmerservice. Eis mit heißer Schokosauce – aber davon träumt ja jeder: Eis mit heißer Schokosauce.«
    Elise hob ihre Sonnenbrille, um mir in die Augen zu sehen.
    »Wir dachten, du müsstest nicht dafür zahlen«, sagte ich.
    »Ja«, sagte er. »Habt ihr natürlich gedacht.« Mehr sagte er nicht. Wir lauschten unserer Mutter, die einer ihrer Schwestern von dem sagenhaften Essen berichtete, das wir gestern Abend bestellt hatten. Sie hatte Lobster, und es war der beste Lobster, den sie sich je in den Mund geschoben hatte.
    Es war ein kleiner, verkochter Lobster gewesen, aber gegen die zarten, medium angebratenen Steaks war nichts einzuwenden.
    Mein Vater drehte laut, ein Reporter interviewte einen Unbekannten. Der Mann sagte, wir hätten möglicherweise verschiedene Stadien von Leid zu durchlaufen, von der Leugnung bis zur Depression. Er sagte, wahrscheinlich würden wir ein psychisches Trauma durchmachen und dann möglicherweise Selbstmord in Betracht ziehen. Ich schaute zu meinem Vater, um seine Reaktion abzuschätzen.
    Ich kletterte aus der Badewanne und setzte mich neben ihn.
    »Alles okay?«, fragte ich.
    »Alles okay«, sagte er. Dann tätschelte er mein Bein und sagte, ich sei sein Mädchen, und in diesem Moment liebte ich ihn über alles. Ich war sein Mädchen und würde immer sein Mädchen bleiben.
    »Vielleicht passiert es ja noch«, sagte ich.
    »Nein, unmöglich«, sagte Elise.
    »Der Mittlere Osten ist moslemisch«, sagte ich.
    »Australien ist zum Großteil christlich. Neuseeland auch.«
    Jetzt, da sie mir erzählt hatte, dass sie Sachen erfand, klang alles, was sie sagte, verdächtig. Ich nahm mein Handy und googelte Betrunkene lassen bei einer Feier in Australien Aufblaspuppen steigen . Ich fand keinen einzigen Hinweis. Die meisten Links hatten mit Frauen zu tun und mit Komasaufen.
    Mein Vater ging zum Fenster hinüber. »Warum geht ihr nicht kurz mal in euer Zimmer rüber und lasst mich mit eurer Mutter sprechen?«, fragte er, doch wir hatten unsere Schlüssel im Zimmer liegen lassen, und unsere Taschen standen vor ihrer Zimmertür. Elise erklärte es ihm und fragte, ob er meine, wir sollten solange in den Coffee-Shop gehen.
    Ich ging ins Bad und bewunderte noch ein bisschen mein Gesicht, meine roten Lippen. Ich hatte Durst, aber keine Lust auf Wasser.
    »Jess«, rief Elise. »Was machst du da drin?«
    »Nichts.«
    »Machst du mir einen Kaffee?«
    Ich durchsuchte den kleinen Plastikbehälter. »Es gibt nur ohne Koffein.«
    »Geh, such die Lady.«
    »Geh selber«, sagte ich, ging dann aber doch zur Tür und schaute hinaus. Im Flur stand ein Rollwagen. Ich lief los und entdeckte in der Nähe des Fensters eine Putzfrau, die ihren Staubsauger vor sich herschob. Ich versuchte, sie auf mich aufmerksam zu machen, aber sie sah mich nicht, also zog ich die Plastikschublade auf und nahm mir zwei Päckchen. In dem Moment, als ich mich umdrehte, traf mich ihr Blick wie ein Blitz aus Feindschaft und Befremden.
    Ich rannte zum Zimmer zurück, als sei

Weitere Kostenlose Bücher