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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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einer hinter mir her, und warf meiner Schwester die Päckchen hin.
    »Mach du, dann schmeckt er besser«, sagte sie.
    Ich zog mich aus und stieg in die jetzt halbgefüllte Wanne, und wir vertieften uns in die Reportagen, die wir längst gesehen hatten – Dutzende neuer Vans und ein halbes Dutzend Anhänger verstellten das weitläufige Stück Land vor Marshalls Büro. Eine hübsche Schwarze in Hosenanzug klopfte an eine Tür. Niemand öffnete, also klopfte sie an die nächste, die übernächste, bis sie wieder bei der ersten ankam. Es war immer wieder niederschmetternd, wenn sie keinen fand, der einen Kommentar abgeben wollte. Es folgte ein Schnitt zu einem Reporter, der einen Mann der Florida-Pilgergruppe interviewte. Er saß auf dem Fahrersitz eines Entrückungs-Vans, sein gebräunter Arm hing aus dem Fenster. Der Reporter fragte, ob er seine Zeit verschwendet habe, und der Mann sagte, er habe viele Leute zu Gott gebracht, sie hätten durch ihre Aktion viele Leben verändert. Ich sah meinen Vater an und überlegte, ob er von sich selbst meinte, ein Leben verändert zu haben. Er sah gar nicht traurig oder traumatisiert oder wütend aus. Er sah nach überhaupt nichts aus.
    »Ich hoffe, sie zeigen Greta«, sagte Elise.
    »Ich hoffe nicht«, sagte ich.
    »Warum nicht?«
    »Einfach so.« Ich stellte mir die Tür zu ihrem Zuhause einen Spaltbreit offen vor, all ihre elektronischen Sachen fehlten. Die Katzen verschwunden, der Ehemann. Die Gesichter ihrer unansehnlichen, übergewichtigen Kinder auf Zetteln an Telefonmasten getackert. Lange nachdem man sie tot aufgefunden hatte, starrten Fremde ihnen noch immer in die Augen.
    Mein Vater stand auf und rollte seinen Koffer ins Badezimmer. »In fünfundvierzig Minuten müssen wir hier raus sein«, sagte er.
    Elise und ich schauten unsere Mutter an, die etwas auf ihrem Handy anschaute.
    »Sie hasst uns«, sagte Elise.
    »Nicht hassen sagen«, sagte unsere Mutter und schaute kurz zu uns auf.
    »Siehst du? Sie hasst uns.« Sie zog die Haarklemmen, eine nach der anderen, aus ihrem Haar und legte sie auf den Rand der Badewanne.
    »Ich habe mir immer zwei Mädchen gewünscht. Zwei Mädchen, zwei Jahre auseinander. Das wisst ihr.«
    »Das glaub ich sofort, dass du’s genau wusstest«, sagte Elise.
    »Wir sind zweieinhalb Jahre auseinander«, sagte ich.
    Elise platzierte ihre Füße zu beiden Seiten meines Kopfes und hob sich, ihr Geschlecht auf mein Gesicht gerichtet, in eine Rückwärtsbeuge. Sie bewegte den Kopf von Seite zu Seite, und ihre Haar schwamm hin und her wie ein Pendel.
    Auf dem Handy unserer Mutter jubelte eine Menschenmenge.
    »Was schaust du?«, fragte ich.
    Sie drehte das Display zu mir, doch ich war zu weit weg. »Hast du dieses Video gesehen?«, fragte sie. »Dieser Mann in Oregon hat einen Heiratsantrag auf Video gemacht.«
    »Nein. Warum sollte ich es gesehen haben?«
    Das Jubeln verebbte, und ein Mann erzählte einer Frau, dass er sie mehr als sein Leben liebe. Dann sagte er, dass er in seinen restlichen Tagen versuchen werde, sie glücklich zu machen. Er sagte nichts auch nur annähernd Originelles, und dennoch weinte die Frau. Wenn der Junge, den ich liebte, sich erklären würde, würde er nicht die üblichen Dinge von sich geben, nicht, wie sehr er mich liebte, und er würde auch nicht auf die Knie sinken. Er würde sagen, dass er mit mir in einer monströsen Unterwasserexplosion sterben wolle. Dass er mich liebe bis hinab in das schwammige Innere seiner Knochen. Und wenn nötig, würde ich nachhelfen, damit ihm noch mehr einfiel. Jungs hatten Probleme, sich auszudrücken, weil ihnen das mit der Sprache nicht so lag.
    Elise stieg aus der Wanne, ging zum Tisch hinüber und griff sich das Festnetztelefon.
    »Was machst du?«, fragte unsere Mutter.
    Sie drehte uns den Rücken zu und bestellte noch einmal etwas beim Zimmerservice, mehr, als wir alle essen könnten. Es würde wahrscheinlich hundert Dollar kosten.
    Ich sah, wie unsere Mutter ihr Handy anlächelte. Ich wollte zu ihr, mich in ihren Armen zusammenrollen. Ich vermisste sie und wollte ihr sagen, dass ich sie vermisste. Zu Hause teilten wir uns Schalen von Popcorn, saßen eng beieinander und schauten gemeinsam Filme an. Wenn wir mit dem Essen fertig waren, kratzten wir einander den Rücken. Ich will dich in meine Tasche stecken, sagte sie dann, damit ich dich rausziehen kann, wann immer ich möchte. Ich stellte mir mich dann in klein vor, im Taschenformat, an ihr warmes Bein geschmiegt. Ich hatte

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