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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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Angst, dass sie sterben würde, ohne zu wissen, wie sehr ich sie liebte, und aus diesem Gefühl heraus wollte ich ihr Sachen erzählen, wollte, dass sie mich kennenlernte, glaubte aber, dass sie mich, wenn sie mich kannte, nicht mehr lieben könnte.
    ***
    Unser Vater kam, wie immer nach Colgate und Barbasol riechend, aus dem Bad. Er setzte sich aufs Bett und schlug seine Bibel auf.
    »Du hast gewonnen gestern Abend, oder?«, sagte Elise.
    Er grinste dieses Grinsen, das wir nur sahen, wenn er mit einer Brieftasche voller Geld aus dem Kasino zurückkam. Das war lange nicht mehr der Fall gewesen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann zuletzt.
    »Wie viel?«, fragte ich.
    Er hob seine Augenbrauen, und seine Hand fuhr zu seiner Brieftasche, als prüfe er, ob sie noch da sei.
    »Hat man dich fotografiert?«, fragte ich.
    Vor Jahren, als er mit dem Spielen begann, hatte er einen großen Gewinn gemacht. Man hatte ihm Ballons in die Hand gedrückt und einen überdimensionierten Scheck und hatte ein Foto von ihm gemacht; er hatte es in seiner Wäscheschublade versteckt. Der Gewinn, hatte er, in einem seiner seltenen reflexiven Momente, gesagt, sei das Schlimmste gewesen, das ihm je widerfahren sei.
    »Gib denen bloß nichts zurück«, sagte Elise.
    »Nein, nein«, sagte er, »keine Angst«, und dann begann er vorzulesen, als sei es ein Morgen wie jeder andere, außer dass er mit dem Anfang begann: Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf der Oberfläche des Wassers .
    Ich schloss die Augen und lauschte, versuchte, mir die Erde ohne Form vorzustellen, das Wasser, seine Oberfläche. Ich dachte, ich sähe ein Gesicht im Wasser – das Gesicht des Wassers. Es war fröhlich. Elise stand auf und ging ins Bad. Unser Vater las weiter: Gott ruhte, der Mensch tat seinen ersten Atemzug, Gott legte einen Garten an .
    Mein Telefon summte. Ich hoffte auf Gabe, doch es war Elise: Komm mal ins Bad .
    Sie ließ mich ein und setzte sich, die Knie an die Brust gepresst, auf den Boden. »Ich glaube, ich habe eine Fehlgeburt«, sagte sie.
    »Wie das denn?«
    »Ich blute ziemlich und habe ziemliche Schmerzen«, sagte sie. Sie sah mich an, als wisse ich, was zu tun sei, doch ich wusste es nicht. Im Spiegel sah ich mir in die Augen.
    »Vielleicht sollten wir in eine Klinik«, sagte ich.
    »Nein.«
    »Vielleicht ist es nur eine Schmierblutung. Das gibt’s, hab ich gehört.«
    Unser Vater erhob die Stimme: Da sprach der Mann: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.
    »Es tut so weh«, sagte sie. »Glaubst du, du könntest mir etwas Ibuprofen besorgen?«
    »Hast du geschaut, ob sie welches dabeihat?«, fragte ich und durchsuchte die Schminktasche unserer Mutter: Pond’s Cold Cream, Q-tips, die dicken Binden in den rosa und grünen Hüllen, eine Tube Lippenstift, der bräunliche Ton, den sie seit ewig trug.
    »Ich hab’s gesehen«, sagte Elise, »ein Riesen-Blutklumpen. Klumpiger als die normalen Klumpen.«
    Ich stand einen Moment lang da, sah an ihr hinab und sagte, ich sei gleich wieder da. Dann schloss ich die Tür und schlüpfte in meine Flip-Flops, stellte mir das Baby im Klobecken vor, ein großer blutiger Klumpen.
    »Elise fühlt sich nicht gut«, unterbrach ich meinen Vater, als er grade zu der Stelle kam, an der die Frau alles verdirbt und den Fluch über die Erde bringt und alles in Schmutz verwandelt.
    »Was hat sie?«
    »Magenschmerzen.«
    Er nahm seine Brieftasche heraus und gab mir ein paar Ein-Dollar-Scheine, sagte, er glaube, wir hätten schon mal Pepto-Bismol gekauft.
    ***
    Das einzige Medikament der Drogerie gab es nur als Doppel-Packung. Ich zählte das Geld, das mein Vater mir gegeben hatte. Sieben Dollar, dann zählte ich mein eigenes – dreizehn. Ich wollte alles ausgeben, spürte das Bedürfnis, bei null zu landen. Da außer mir niemand im Laden war, legte ich die Sachen auf die Theke: drei Päckchen Advil-Schmerztabletten, eine Cola light, eine große Tüte Erdnuss M&Ms, Elises Lieblingssorte, und ein OK! -Magazin mit Kristen Stewart und Robert Pattinson auf dem Cover. Ich fuhr mit dem Lift nach oben, lief schneller, als ich in die Nähe unseres Zimmers kam. Ich wusste nicht, wie ich mich bezüglich der aktuellen Entwicklung fühlen sollte. Einerseits wäre alles unwiderruflich vorüber. Andererseits – ich war nicht ganz sicher, was es auf der anderen Seite gab, aber ich wusste,

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