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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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hätte ihr sagen können, dass sie schön war, dass sie klug war und lustig und beliebt, und dass, egal, welchen Raum sie beträte, sich immer die Köpfe nach ihr drehen würden. Doch ich sagte nichts, und das Weinen ebbte ab, und ich dachte, es würde versiegen, aber es begann von neuem, schrecklich und erstickend. Ich fragte mich, ob irgendeiner sie je lieben könnte. Sie war zu schön. Das war, wie wenn man zu reich war, alles, woran man denken konnte, war, was der andere für einen tun könnte.
    Ich ging hinüber zur Wanne und drehte das erbärmlich langsame Wasser auf. Ich konnte Brad noch immer in mir spüren und überlegte, wie lange es dauerte, bis es verschwände. Ich hasse mich, dachte ich. Ich dachte es wieder und wieder, und es tat gut, so, als gäbe ich endlich etwas zu, das ich lange geheim gehalten hatte.
    »Nimm doch ein Bad«, sagte ich und sah das Wasser in einem dünnen Rinnsal in die Wanne laufen.
    Sie sagte nichts. Ich saß einen Moment lang da, schaute sie an, dann zog ich mich aus und stieg hinein, wartete, dass das Wasser sich um mich herum auffüllte. Ich tauchte den Kopf unter und hielt den Atem an, und mein Ring streifte am Porzellan entlang – man hatte mir Gott zum Mann bestimmt. Ich sollte mit Gott verheiratet werden. Ich stellte mir vor, wie ich meine Handgelenke aufschlitzte, rot auf weiß. Es wäre so grell, so schön. Ich hörte mein Herz schlagen und erinnerte mich, dass es nur begrenzt schlug. Es schien so grausam, man pflanzte uns eine kleine Bombe ein, und wir mussten immer neue Wege finden, sie zu ignorieren.
    Ich regulierte mit dem Fuß die Temperatur und schaute hinüber zu meiner Schwester.
    »Was ist das Schlimmste, das du je getan hast?«, fragte sie.
    »Was meinst du mit ›das Schlimmste‹? Das Böseste?«
    »Zum Beispiel.«
    »Ich mochte Marc«, sagte ich. »Erinnerst du dich an Marc?«
    »Der ist doch so an die vier Jahre lang immer bei uns mitgefahren«, sagte sie.
    »Ich konnte nicht mit ihm reden, und deshalb war ich nicht nett zu ihm, ich war sogar richtig gemein, schmierte ihm Kaugummi in die Haare und sagte, er stinke, und einmal hab ich Mom erzählt, er sei von jemand anderem nach Hause gebracht worden, dabei haben wir ihn im Regen stehenlassen.«
    »Das weiß ich noch – wir mussten zurückfahren und ihn holen, und er war patschnass.«
    »Und jetzt ist er in Ohio, und ich werde ihn nie wieder sehen«, sagte ich. »Er wird für immer glauben, ich hätte ihn gehasst.«
    »Wetten, ihm ist klar, dass du ihn mochtest«, sagte sie. »Kinder benehmen sich beschissen, wenn sie sich mögen.«
    »Glaub ich nicht.«
    »Vielleicht war’s ihm damals nicht klar, aber jetzt schon, wetten.«
    »Ich hoff es«, sagte ich.
    Sie schwieg, und ich hätte sie gern nach dem Schlimmsten gefragt, das sie je getan hatte, aber sie hatte wahrscheinlich ein paar wirklich schlimme Dinge getan, deshalb hatte sie auch gefragt. Sie drehte sich zu Seite, das Gesicht von mir abgewandt.
    »Ich liebe dich«, sagte ich.
    »Ich liebe dich auch«, murmelte sie.
    »Schade, dass wir’s nicht bis nach Kalifornien schaffen. Ich wollte das Meer sehen.«
    »So toll ist das bestimmt nicht.«
    »Ich glaub, es ist schon ganz nett.«
    »Das sind nicht die letzten Tage von Kalifornien«, sagte sie. »Irgendwann kriegst du’s schon zu sehen.«
    Wenige Minuten später war sie eingeschlafen. Was auch passierte, Schlafen war nicht ihr Problem.
    Ich stieg aus der Wanne, trocknete mich mit einem feuchten Handtuch ab. Ich ließ es auf den Boden fallen, ging zum Fenster, stieg aufs Fensterbrett. Das blaue Licht des Parkhauses erinnerte an eine Lichtfalle für Insekten. War das die Morgen- oder die Abenddämmerung? Beides war möglich. Ich presste meine Hände an das Glas und lehnte mich vor, dachte an Bruder Jessies Kind. Warum hatte Gott ihm ein solches Kind geschenkt? Ich überlegte, ob seine Frau eine Schwangerschaft voller Angst durchgemacht hatte, und ob das der Grund für das missgebildete Baby war. Sollte ich je schwanger werden, ich hätte eine Heidenangst davor, und dann würde mein Kind tot auf die Welt kommen oder schlimmer noch, total verkorkst. Ich hätte keine andere Wahl, als ihm mein Leben zu opfern, und die Leute würden sagen, wie gut ich sei, wie selbstlos.
    Ich zog die Vorhänge zu. Dann warf ich mir was über und stieg ins Bett, ließ meine Haare das Kissen durchnässen. Zu Hause hätte ich gewartet, bis es trocken ist, oder ein Handtuch druntergelegt. Zu Hause ließ ich auch die gebrauchten

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