Süßer Mond - Süßer Mond - Dark Guardian - 01 Moonlight
ließ mich erstarren.
Ich hatte gedacht, der Fluss sei das Gefährlichste, das mir an diesem Tag begegnen würde. Aber ich hatte mich geirrt.
Ein wütender Bär war viel schlimmer.
7
D er Bär war riesig! Er stand auf den Hinterbeinen und sah aus, als wäre er zwei Meter groß - obwohl meiner Größenwahrnehmung aufgrund meiner Panik vielleicht nicht ganz zu trauen war. Ich hatte keine Ahnung, ob Bären auf den Geruch von Blut oder Furcht reagierten, und ich blutete noch immer und zitterte vor Angst.
In den Naturführern hieß es, man solle sich flach auf den Bauch legen, wenn man von einem Bären bedroht wird. Manchmal wurde dagegen geraten, sich möglichst klein zusammenzurollen. Was war richtig? Ich hatte mich noch nicht von meinem kräftezehrenden Überlebenskampf im Fluss erholt und konnte keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn die richtige Strategie abwägen. Ich wusste, dass ich auf keinen Fall in Panik geraten oder wegrennen durfte. Aber ich konnte mich nicht überwinden, mich tot zu stellen. Wenn es zum Schlimmsten kam, wollte ich zumindest in der Lage sein, irgendetwas zu meiner Rettung zu unternehmen.
Drohend warf der Bär seinen Kopf zurück, riss die Schnauze auf und brüllte. Seine Zähne waren riesig, die Pranken gewaltig. Dann ließ er sich auf alle viere fallen und stürmte auf mich los.
Instinktiv rannte ich los. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine verschwommene Bewegung wahr. Ein tiefes Knurren war zu hören - anders als das Brummen des Bären. Ich wirbelte herum und sah, wie ein Wolf dem Bären an die Kehle sprang.
Ich wich zurück, geriet ins Stolpern und landete auf dem Hinterteil. Mir war klar, dass ich den Angriff des Wolfes zur Flucht nutzen sollte, doch aus einem unerklärlichen Grund konnte ich die knurrenden, kämpfenden Tiere nicht aus den Augen lassen. Der Bär versetzte dem Wolf einen Hieb. Ich hörte ihn aufjaulen und sah die blutigen Striemen, die die Krallen des Bären hinterlassen hatten.
Aber er wich nicht zurück, sondern postierte sich zwischen dem Bären und mir. Ich wollte nicht, dass dieser Wolf starb. Es war nicht derselbe, den ich gestern Nacht gesehen hatte. Dessen war ich mir ganz sicher. Sein Fell war anders, eine Mischung aus vielen verschiedenen Farben. Jetzt fletschte er die Zähne.
Der Bär hatte sich erneut aufgerichtet und brüllte. Der Wolf knurrte, ein warnendes Geräusch, das tief aus seiner Kehle kam.
Mir war klar, dass ich hätte fortlaufen sollen, aber ich hatte einfach nicht die Kraft. Ich hatte das Gefühl, nie wieder aufstehen zu können. Ich wollte schreien, damit einer der Sherpas mich fand und mir half.
Der Bär versetzte dem Wolf einen weiteren Hieb, von dem er wie ein hilfloser Ball durch die Luft geschleudert wurde. Nach der harten Landung, rappelte der Wolf sich wieder hoch und begann, den Bären in geduckter Haltung zu umkreisen. Dann tat er einen Satz und biss den Bären
ins Bein. Der wimmerte laut auf, drehte sich um und gab Fersengeld.
Immer noch in geduckter Haltung drehte der Wolf seinen Kopf in meine Richtung. Würde ich sein nächstes Opfer werden? Ich erinnerte mich daran, was Lucas gesagt hatte: Ein gesunder Wolf hatte noch nie einen Menschen angegriffen. Ich suchte keine Deckung. Er sollte nicht spüren, dass ich Bedenken hatte und vor ihm auf der Hut war. Aber Erschöpfung, Furcht und alles, was ich durchgemacht hatte, seit das Seil gerissen war, forderten ihren Tribut, und ich zitterte heftig.
Um die Kontrolle über meinen Körper wiederzuerlangen, konzentrierte ich mich auf den Wolf und nicht auf meine Schmerzen. Er erinnerte mich an einen großen Hund. Nie zuvor war mir ein schöneres Wesen begegnet. Sein Fell war eine Mischung aus kräftigen, leuchtenden Farben, die Augen strahlten silbrig und lebendig, ganz anders als die glanzlosen grauen Augen des Wolfs, den ich in der Nacht zuvor gesehen hatte. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass er mich genau studierte, als wollte er einen Entschluss fassen - aber welchen? Warum beobachtete er mich? Warum stand er einfach nur da?
Je länger er in seiner Beobachtungsposition verharrte, desto unbehaglicher wurde mir zumute. Ich spürte ein seltsames Gefühl der Verbundenheit, das ich nicht recht erklären konnte. Die Wölfe in meinen Albträumen waren immer bösartig, aber dieser hatte mich gerettet, hatte sich zwischen mich und den Bären gestürzt. All die Jahre hatte das, was meinen Eltern zugestoßen war, meine Träume beherrscht. Ich hatte vor irgendetwas Angst, aber
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