Sueßer Schmerz
Abend eine Verabredung mit einem
richtigen
Mann.«
Sie stapfte zur Tür und wartete, bis Kelly zur Seite trat. Dabei sah sie ihr in die Augen. »Du traust mir ja eine Menge zu.«
Kelly wandte den Blick ab und murmelte eine Entschuldigung. Als Jennifer hinausstapfte, blickte Kelly zu José. Er lächelte. Auf seinen Rücken deutend, sagte er: »Ich nehme an, du willst nicht …«
José machte ständig sexuelle Anspielungen. Er war oberpervers. »Nein.« Kellys Antwort klang hart und abweisend. Sie warf die Haare über die Schulter und verließ den Raum, wobei sie sich mehr als nur ein bisschen albern vorkam.
Sie war fast wieder an ihrem Schreibtisch, als Jennifer mit funkelnden Augen auf sie zukam. »Dein nächster Patient ist da. Oh mein Gott, er ist hinreißend. Ich würde am liebsten sagen, dass ich für dich einspringe.« Sie seufzte. »Aber ich kann nicht.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Zu schade.« Sie zwinkerte Kelly zu. »Viel Spaß. Ich gehe. Erzähl mir am Montag, wie es war. Ich habe ihn in Untersuchungsraum zwei gebracht, die Notizen vom Arzt hängen an der Tür. Er wartet ungeduldig auf seine Therapie.«
Jennifer wackelte mit den Fingern und wandte sich, wie ein Schulmädchen kichernd, zum Gehen. Kelly war es egal, ob der Kerl gut aussah, sie wollte nur ins Wochenende.
Eilig lief sie zu ihrem Schreibtisch und griff ihre Notizen über den neuen Patienten. In dem Augenblick klingelte ihr Mobiltelefon. Sie holte es aus der Tasche, prüfte die Nummer und nahm das Gespräch an.
»Hallo, Stef.«
»Hallo, Süße. Kommst du mit zum Mittagessen?«
»Ich sterbe vor Hunger, aber ich habe einen Patienten.«
»Es ist zwei Uhr«, bemerkte Stephanie, als sei es ein Verbrechen, dass Kelly nach zwölf Uhr noch arbeitete. »Du machst freitags immer früh Schluss.«
Kelly seufzte schwer. »Ich weiß.«
»Ich habe mit dem Essen gewartet, weil ich dachte, ich könnte dich abholen. Du musst doch einen Mordshunger haben. Soll ich eine schöne große Pizza besorgen, die wir uns teilen?«
Bei dem Gedanken an ein Stück Pizza mit viel Käse knurrte Kellys Magen. »Ja«, sagte sie sehnsüchtig. »Das wäre wunderbar.«
»Ich bin gleich da, Süße. Brich mir bis dahin nicht zusammen.«
Schon war die Leitung tot.
José stand nur ein paar Schritte entfernt und räusperte sich. »Dein Patient wird langsam nervös. Er meint, dass er um vier Uhr einen anderen Termin hätte.«
Kelly biss die Zähne zusammen. »Und warum konntest du ihn nicht übernehmen?«
Er starrte sie wütend an. »Das Karpaltunnelsyndrom ist dein Spezialgebiet, nicht meins.« Es folgte ein falsches Lächeln. »Erinnerst du dich?«
Kelly blickte auf ihre Notizen. Verdammt. Keine Chance, hier herauszukommen. Wenn sie nur vor dem Termin etwas gegessen hätte. Ihre Nerven lagen blank, und der Hunger war auch nicht gerade hilfreich.
Kelly seufzte resigniert und griff ihre Akte. »Dann gehe ich jetzt zu ihm.«
José starrte sie weiter an. »Ich bleibe hier, bis du Feierabend machst. Der Arzt meint, du solltest nicht allein in der Praxis sein.«
Kelly schnaubte. »Als ob du eine Hilfe wärst. Ich brauche jemanden, der mich vor Perversen wie dir beschützt.«
»Du siehst vielleicht ganz scharf aus, aber du bist mir viel zu kühl. Südländische Männer mögen heißblütige Frauen. Du kannst dich also sicher fühlen. Es gibt jede Menge Frauen, die man nicht erst auftauen muss.«
»Egal«, murmelte sie, schritt hocherhobenen Hauptes in Richtung Untersuchungsraum und tat, als ließen sie seine Bemerkung kalt. Leider traf sie jedoch jedes Wort wie ein Messerstich.
Seit sie bei Mark ihre Leidenschaft entdeckt hatte, stellte sie ihre Lebenseinstellung infrage, oder zumindest ihren Umgang mit der Gegenwart und der Zukunft und dem, was dazwischen lag. Obwohl sie nicht vorhatte, wie José zu werden, war sie sich nicht sicher, ob sie so prüde und freudlos weiterleben wollte wie bisher.
Als sie den Untersuchungsraum erreichte, klopfte Kelly an, öffnete die Tür jedoch gleichzeitig mit einem künstlichen Lächeln auf den Lippen. Sie wollte raus aus der Praxis. In ihrer Wohnung konnte sie in Ruhe über ihren derzeitigen Gefühlszustand nachdenken. Kelly schloss die Tür, drehte sich um und erstarrte.
Dort auf der Untersuchungsliege saß Mark. Ihr Fremder. Ihr One-Night-Stand. Der Mann, den sie nicht vergessen konnte und von dem sie sich unzählige Male gewünscht hatte, ihn besser kennenzulernen. Und jetzt war er hier, in
ihrem
Untersuchungszimmer. Was
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