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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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durchgebissen, zumindest in New York, während die meisten Juraprofessoren, wie auch die Mehrheit der Englischprofessoren, nicht gerade für ihre praktische Erfahrung berühmt sind. Auf vielen Gebieten spielt das keine Rolle. Aber beim Strafrecht muß man unbedingt wissen, wie es in der Praxis zugeht. Schließlich hat’
    es nicht viel Sinn, den Studenten etwas über Gerichtsverfahren zu erzählen, wenn man nicht einmal weiß, aus welch vertrackten Gründen neunzig Prozent der Fälle nie zur Schlußverhandlung kommen, sondern durch Kuhhandel mit dem Staatsanwalt beendet werden.«
    »Reed, ich komme mir vor wie eine dieser trübseligen Frauen von früher, die nicht die geringste Ahnung hatten, womit sich ihre Männer in ihren Büros 57

    beschäftigten.«
    »Unsinn! Beklage ich mich etwa, wenn du mir all die feinen Nuancen der Literatur und des akademischen Hickhacks erklären mußt? Ohne dich hätte ich nie erfahren, daß Fiona MacLeod und William Sharp ein und dieselbe Person sind!«
    »Was für ein gutes Gedächtnis du hast! Aber warum haben nicht längst andere, die genauso viel wissen wie du – immer vorausgesetzt es gibt sie, was ich natürlich bezweifle –, sämtliche Universitätsjobs besetzt?«
    »Ich liebe dich, wenn du die Ehefrau herauskehrst. Das Traurige ist, daß Juraprofessoren sich in diesem Punkt beträchtlich von euch Anglisten unterscheiden. Juristen, zumindest die, die in Fachblättern veröffentlichen und sich einen Namen gemacht haben, können in der Wirtschaft oder als Anwälte so viel verdienen, daß sie nicht gerade Türen einrennen, um an einer Universität lehren zu dürfen. Tatsächlich sind es wirklich meistens die Strafrechtler, die an die Universitäten drängen – die, und die Burschen, die ihre Millionen schon gemacht haben und auch munter damit weitermachen, wenn sie eine Professur angenommen haben.«
    »Bei all dem kommt mir natürlich ein schrecklich selbstsüchtiger Gedanke: werde ich, wenn du das Büro des Bezirksstaatsanwalts verläßt, immer noch interne Informationen bekommen, zum Beispiel, wenn ich wissen will, was die Polizei im Schilde führt?«
    »Man hat schließlich Freunde. Obwohl es gewisse Probleme geben könnte, wenn sich meine größte Hoffnung erfüllt.«
    »Deine größte Hoffnung? Nein – erzähl mir jetzt bitte nicht, daß du Oberstaatsanwalt in Tansania werden willst?«
    »Nein, meine Liebe. Richter will ich werden. Am Bundesgerichtshof, was gar nicht so unerreichbar ist, oder, lieber noch, am New Yorker Appellationsgericht, was völlig unrealistisch ist. Wie du siehst, habe ich auf meine alten Tage Hybris entwickelt – auf meine mittleren Jahre, sollte ich eingedenk deiner Patrice wohl lieber sagen. Sie machte mir Mut, wirklich. Ich würde gern mehr von ihr und dem Clare College hören.«
    »Nicht, ehe du mir mehr über die Richtersache erzählt hast. Bewirbt man sich einfach um so einen Job, und warum dann nicht gleich beim Höchsten Gerichtshof in New York? Für meinen Mann nur das Höchste!«
    »Weil der Höchste Gerichtshof nicht das Höchste ist, meine Liebe – nicht in New York, wo sich aus Gründen, die ich in ferner Vergangenheit vergessen habe, das niedrigste Gericht das höchste nennt – und das höchste, wo ich hin will, ist das Appellationsgericht.«
    »Und wie wird man Richter? Erzähl mir jetzt nicht, indem man die richtigen Leute besticht. Ich denke, eine so dramatische Midlife-Krise hast du nicht nötig.«
    »Einige Richter werden gewählt, was du wissen solltest, meine Liebe, falls du dich an deine letzte Stimmabgabe erinnerst. Manche werden vom Gouverneur 58

    berufen, oder auch vom Senator oder der jeweils regierenden Partei. Wenn all diese Herren klug beraten sind, bitten sie ein Gremium, geeignete Kandidaten vorzuschlagen. Wie gesagt, es ist ein hochgestecktes Ziel. Aber ich glaube kaum, daß unsere Patrice ein bescheideneres Ziel als richtigen Traum für die mittleren Jahre angesehen hätte, was meinst du?«
    »Und wenn man einige Jahre an einer Universität gelehrt hat, ist man ein höchst geeigneter Kandidat?«
    »Stimmt. Es gibt andere Wege, aber für mich ist er der geeignetste. Davon abgesehen interessiert mich der Lehrbetrieb, und außerdem werde ich die Chance haben, gelehrte, wissenschaftliche Artikel zu schreiben, die jedermann beeindrucken werden.«
    »Für ›Harvards Juristische Rundschau‹, nehme ich an. Nein, sag nichts mehr!
    Ich muß das alles erst mal verdauen. Später mußt du dann einen Kurs für Juristenfrauen

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