Süßer Tod
nur, als sie näher kamen, obgleich einer winselte, als Raley ihn von der Tür wegschob.
»Delno?«, rief er durch die Fliegentür.
»Komme!« Der Antwortruf kam von der anderen Seite der Lichtung. Delno erschien aus dem Unterholz, einen Träger seines Overalls hochziehend. »War nur kurz aufm Klo.« Er blieb abrupt stehen, als er Raleys rasiertes Gesicht sah. »Also, jetzt fress ich eine ganze Besenfabrik.«
Wortlos öffnete Raley die Fliegentür und trat ein.
»Hi, Delno«, rief Britt und folgte Raley in die stickige Hütte, wo sie ihm schnell zuflüsterte: »Er hat die Toilette draußen ?«
»Ich habe dich gewarnt.« Er ging direkt auf den Fernseher mit der Hasenohrenantenne zu und schaltete ihn ein. Dann drehte er sich zu Delno um, der gerade durch die Tür kam. »Hast du heute Morgen schon Nachrichten gesehen?«
»Sie suchen immer noch nach ihr.« Er nickte zu Britt hin, ohne den Blick von Raley zu wenden.
Es ärgerte Raley, so angeglotzt zu werden. »Was ist?«
»Nix. Gar nix.« Delno fuhr sich mit der Hand über das unrasierte
Gesicht und deutete auf den Herd, auf dem ein Topf köchelte. »Wollt ihr was von meinem Eintopf?«
»Danke nein. Wir haben gerade gefrühstückt«, antwortete Britt höflich, weil sie nicht einmal darüber spekulieren wollte, was in dem Topf köchelte.
Im Fernsehen lief eine Rätselshow, was Britt aber nur am Ton erkannte. Das verschneite Bild ließ nichts erkennen. Raley zappte durch die wenigen Kanäle, aber auf allen Sendern lief das ganz normale Programm. Er schaltete den Apparat aus. »Wurde sonst noch was über sie gesagt, abgesehen davon, dass sie immer noch gesucht wird?«
»Sie haben diesen Typen interviewt, der gesagt hat, er is’ ihr Anwalt.« Delno machte eine Pause, um einen Strahl Tabaksaft in eine leere Bohnendose zu spucken. »Er hat gesagt, er hat gestern Abend mit ihr telefoniert, und sie hätte sich stellen wollen. Aber der Bulle meinte, sie ist nicht aufgetaucht, also ist sie noch auf freiem Fuß und wird immer noch gesucht. Der Bulle sagt, wenn sie geschnappt wird, kann sie sich auf was gefasst machen.« Er verstummte und sah Britt erwartungsvoll an, doch die gab keine weiteren Erläuterungen.
Raley fragte: »Haben sie etwas von einem Unfall auf der River Road gesagt?«
»Nee. Nich’ soweit ich gehört habe.«
»Oder von mir?«
»Dir? Nee.«
Raley sah sie an. »Das ist gut.«
»Wahrscheinlich schon. Damit bin ich nur auf der Flucht, nicht das Opfer eines Mordversuchs.«
»Du wolltest sie ermorden?«
Sie drehten sich zu Delno um, der die Frage an Raley gerichtet hatte. Britt lachte, aber Raley antwortete stirnrunzelnd: »Nein, ich habe nicht versucht, sie zu ermorden. Danke, dass wir bei dir fernsehen durften. Gibst du uns Bescheid, falls sie über einen von uns berichten?«
Delno verlagerte den Pfriem von einer Backe in die andere. »Möglich. Wenn ich nix anderes zu tun habe. Ich bin kein Nachrichtensprecher, klar?«
Raley schnaubte sarkastisch. »Ich glaube nicht, dass dich irgendwer mit einem Nachrichtensprecher verwechseln könnte.« Er ging zur Tür. Britt dankte Delno für die Aufklärung und folgte Raley nach draußen.
Als sie auf halbem Weg zum Wald waren, rief Delno ihnen nach: »Hast du dich wegen ihr rasiert?«
Raley blieb nicht stehen und drehte sich auch nicht um.
Der alte Mann keckerte. »Ich denk nur, dass deine Stoppeln sie vielleicht an ein paar empfindlichen Stellen scheuern.«
Britt tat so, als hätte sie nichts gehört. Genau wie Raley.
»Hat sie gesagt, solange du dich nicht rasierst, darfst du nicht …«
Raley wirbelte herum. »Sie hat nichts damit zu tun. Okay?«
»Und warum …«
»Weil ich auf eine Beerdigung gehe.« Raley drehte sich wieder um und verschwand im Schutz des Waldes.
Er ging jetzt schneller als auf dem Herweg, und sie musste sich anstrengen, um nicht abgehängt zu werden. Einmal fiel sie so weit zurück, dass er stehen bleiben und auf sie warten musste. Als sie ihn eingeholt hatte, schnaufte sie schwer. »Entschuldige. Mein Fuß hatte sich in einer Schlingpflanze verfangen. Mein Turnschuh steckte fest.«
»Wo ist dein Wasser?«
»Das habe ich bei Delno ausgetrunken.« Er reichte ihr seine Flasche, aber sie lehnte ab. »Das brauchst du selbst.«
»Es geht schon.«
Sie nahm einen Schluck, ließ ihm aber etwas übrig. Er trank die Flasche leer und schraubte sie dann wieder zu. »Es ist nicht mehr weit.«
Er wollte gerade weitergehen, als sie fragte: »Jays Beerdigung?«
Er nickte barsch.
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