Süßer Tod
»Sie haben im Radio darüber berichtet, als ich heute Morgen in den Ort gefahren bin. Sein Leichnam wurde
gestern den Angehörigen übergeben. Die Beisetzung ist heute Nachmittag um drei.«
Er hatte sich die Haare schneiden lassen und den Bart abrasiert, um präsentabel auszusehen, vermutete sie. »Sie werden dort sein. Cobb Fordyce. George McGowan.«
»Wahrscheinlich.«
»Sie werden dich wiedererkennen.«
»Na und? Jay war mein Jugendfreund. Warum sollte ich nicht auf seine Beerdigung gehen?«
»Weil er und sie dich verraten haben.«
»Aber sie wissen nicht, was ich weiß. Sie glauben, sie hätten ihr Ziel erreicht. Sie haben mich ruiniert, ohne dass sie dafür zur Rechenschaft gezogen wurden. Fünf Jahre lang war ich von der Bildfläche verschwunden. Und keine Bedrohung mehr.«
»Warum willst du dann zur Beerdigung?«
Er grinste. »Damit sie sich fragen, ob sie sich vielleicht geirrt haben.«
Sie merkte, dass sie sein Grinsen erwiderte. »Dich zu sehen wird sie nervös machen.«
»Genau das hoffe ich inständig. Außerdem hoffe ich, Candy zu sehen.«
Er ging weiter, und sie folgte ihm so dicht wie möglich. »Wann wirst du mir von dem Brand und von deinen Ermittlungen erzählen?«
»Heute Abend. Sobald ich aus Charleston zurück bin.«
»Das wird Stunden dauern. Ich will nicht allein hier warten.«
»Du kannst unmöglich mitkommen, Britt. Niemand darf dich sehen. Wenn die beiden, die dich umbringen wollten, begreifen, dass du noch am Leben bist, werden sie es wieder versuchen.«
»Hier draußen kann ich mich nicht wehren.«
»Ich fahre bei Delno vorbei und frage ihn, ob er bei dir bleiben kann.«
»Das ist nicht witzig.«
»Das sollte es auch nicht sein. Falls jemand versucht…«
Er blieb so plötzlich stehen, dass Britt in seinen Rücken stolperte. Bevor sie auch nur fragen konnte, weswegen er angehalten hatte, drehte er sich um, schlang den Arm um ihre Taille und zog sie ins Gebüsch.
»Was …«
»Pst«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Da ist jemand in der Hütte.«
W er ist es?«, flüsterte Britt.
»Keine Ahnung. Aber ich habe eben gesehen, wie sich hinter dem Fenster über der Spüle etwas bewegt hat.«
Hinter dem Geäst des Busches versteckt, behielt er das Fenster eine volle Minute im Auge, ohne dass sich der Schatten noch einmal gezeigt hätte. Trotzdem wusste er, dass er sich nicht geirrt hatte. Sein erster Impuls war, in die Hütte zu stürmen und den Eindringling zur Rede zu stellen. Doch er hatte nicht feststellen können, ob der Mensch eine Frau oder ein Mann, groß oder klein, eine mögliche Bedrohung oder nur jemand war, der sich verirrt hatte und jetzt Hilfe suchte.
Nach den Ereignissen von gestern Abend befürchtete er allerdings das Schlimmste.
Offenbar dachte Britt ähnlich, denn sie sah ihn ängstlich an.
»Du bleibst hier«, sagte er.
Aber als er sich bewegen wollte, hielt sie ihn am Arm zurück. Er dachte, sie würde ihn anbetteln, sie nicht allein zu lassen. Stattdessen nickte sie. »Pass auf dich auf.«
Raley holte tief Luft und trat hinter dem schützenden Gebüsch hervor. Falls der Eindringling zufällig aus dem Fenster blickte, würde er ihn geduckt zur Nordwand der Hütte laufen sehen. Die Strecke war in wenigen Sekunden zurückgelegt, aber während dieser Sekunden war Raley ungedeckt und praktisch schutzlos.
Als er an der Hütte angekommen war, ging er neben einem Ziegelpfeiler in die Hocke. Er rechnete mit einem Ruf, einer Drohung, irgendetwas. Doch da kam nichts. Er hatte es unentdeckt über die freie Fläche geschafft. Anscheinend.
Er sah zu Britts Versteck zurück. Er konnte sie nicht sehen. Wenn er sie nicht sehen konnte, konnte man sie wahrscheinlich auch nicht sehen, wenn man kurz aus dem Fenster sah, deshalb schlich er einigermaßen erleichtert an der Wand entlang zur Vorderseite der Hütte, wo er den Eindringling abzufangen hoffte, sobald er oder sie aus der Tür trat.
Er arbeitete sich an der Außenwand seines Schlafzimmers vor. Im nächsten Moment hörte er, wie sich in der Hütte etwas bewegte, er blieb mit einem unhörbaren Fluch auf den Lippen stehen. Es klang, als würde jemand das Zimmer durchsuchen. Schubladen wurden aufgezogen und zugeschoben. Er hörte das vertraute Quietschen der Schranktür, das Klappern der Kleiderbügel, die an der Stange hin- und hergeschoben wurden, und dann einen dumpfen Schlag.
Gleich darauf hörte er etwas krachen und Glas zerspringen, daraus schloss er, dass die Leselampe auf dem Fernsehtischchen das
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