Süßer Tod
Ahnungslosen. Du weißt genau, wovon ich rede. Die Parallelen zwischen der Nacht, in der Jay gestorben ist, und der, in der Suzi Monroe an einer Überdosis starb.«
»Jay starb nicht an einer Überdosis. Er wurde von dieser Reporterin umgebracht.«
»Wirklich?«
»Klar. Ich meine, das wird ihr wenigstens vorgeworfen. Das habe ich gehört.«
»Hast du auch ihre Behauptung zur Kenntnis genommen, man hätte sie unter Drogen gesetzt? Merkwürdig, findest du nicht auch? Britt Shelley hat genau das Gleiche gesagt wie ich an dem Morgen, als ich neben einem nackten toten Mädchen aufwachte und keine Ahnung hatte, wie ich dorthin gekommen war.«
George begann immer heftiger zu schwitzen. Er baute sich aggressiv vor Raley auf. »Ich habe die Geschichte nicht erwähnt, weil ich dachte, dass es dir lieber wäre, wenn wir nicht davon anfangen.«
Raley lächelte und antwortete leise: »Nein, George, es wäre dir lieber, wenn wir nicht davon anfangen. Ganz ehrlich, ich glaube, es wäre dir lieber, wenn niemand zu hören bekäme, wie ich dir, Jay, Pat Wickham und Cobb Fordyce erzählt habe, dass mir jemand etwas in meinen Drink gekippt hat, um meine Erinnerung an diese Nacht auszulöschen. Schließlich könnte es demjenigen komisch vorkommen, dass Britt Shelley das Gleiche über die Nacht erzählt hat, in der Jay starb.«
»K.-o.-Tropfen, leck mich doch.« George schob sein rot erblühtes Gesicht vor Raleys. »Eine wirklich praktische Ausrede, die niemand beweisen kann.«
»Etwas, womit ich mich nur allzu gut auskenne.«
»Hör zu, sie und Jay waren zusammen und hatten Streit. Ende der Geschichte.«
»Sie behauptet, sie hätten nichts miteinander gehabt.«
George prustete. Oder versuchte es wenigstens. Es klang eher nach einem Würgen.
»Außerdem«, fuhr Raley fort, »hat Jay nicht mit Frauen gestritten. Nie. Er hat sich solche Szenen erspart. Wenn er eine Affäre beenden wollte, hörte er einfach auf, die Frau anzurufen. Ratzfatz erledigt.«
»Vielleicht wusste die Kleine das nicht. Vielleicht…«
»Jay hatte nur noch ein paar Wochen zu leben. Ich frage mich,
was er einer bekannten Reporterin in dieser Nacht erzählen wollte. Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht?«
George köchelte mehrere Sekunden vor sich hin und sagte dann: »Vielleicht wollte er ihr erzählen, wie leicht er es ins Höschen von deiner Verlobten geschafft hat.«
Raley zuckte nicht einmal. »Ich glaube, er wollte Britt Shelley eine Riesenstory verschaffen und dabei quasi auf dem Totenbett sein Gewissen erleichtern.«
George machte noch einen Schritt auf ihn zu. »Was hätte Jay denn beichten sollen?«
»Erzähl du es mir.«
»Du bist so ein Scheißer, Gannon. Du bist immer noch sauer auf Jay, weil er dir Hallie ausgespannt hat. Soll ich dir sagen, was ich glauben würde, wenn ich noch Polizist wäre? Ich würde glauben, dass vielleicht du dich in dieser Nacht in sein Zimmer geschlichen und das Kissen auf sein Gesicht gedrückt hast.«
»Wenn ich ihn hätte umbringen wollen, hätte ich nicht fünf Jahre damit gewartet. Hier geht es nicht um ihn und Hallie.«
»Nein?« George feixte. »Weißt du, ein paar Monate nachdem du aus der Stadt verschwunden warst, bin ich eines Tages an Jays Wohnung vorbeigegangen. Mitten am Tag. Bei strahlendem Sonnenschein.«
»Irgendwer wird die einzelnen Teile zu einem Bild verbinden, George. Du, Fordyce, Pat Wickham, Jay, Suzi Monroe, ich, Britt Shelley.«
»Ich wollte schon bei Jay läuten, als ich die beiden durchs Fenster sah.«
»Jemand wird die richtigen Verbindungen ziehen, George, und der Brand ist das alles verbindende Element.«
»Dein Mädchen hatte die Beine über die Seitenlehnen des Sessels gehängt, und Jay kniete vor ihr, das Gesicht tief in ihrer Pussy vergraben, während sie sich vor Lust gewunden hat.«
»Diese Rollen wurden bei dem Brand verteilt.«
Raley sagte das so laut, dass die Umstehenden auf sie aufmerksam
wurden und die Gespräche in ihrem Umkreis verstummten. George sah sich mit glühendem Gesicht um und lächelte, aber ihm war anzusehen, wie unangenehm es ihm war, belauscht zu werden.
In diesem Moment, in dem alles stillzustehen schien, fuhr der Leichenwagen ab. Wie alle Übrigen verfolgten Raley und George in tiefem Ernst, wie er hügelabwärts rollte. Niemand rührte sich oder sagte etwas, bis er am Ende des Weges abbog und hinter einer dichten immergrünen Hecke verschwand, dann stieg ein allgemeiner Seufzer der Erleichterung aus der Gruppe der Trauergäste
Weitere Kostenlose Bücher