Süßer Tod
dich irrst. Alles deutet darauf hin. Warum sollten sie so viel riskieren, wenn sie nicht etwas Wichtiges vertuschen wollten? Aber wie können wir das beweisen? Wie können wir das beweisen und dabei am Leben bleiben?«
»Ich bin nicht sicher, ob wir das können.«
Sie saß immer noch auf dem Bett und schaute zu ihm auf. Er sah ihr an, dass ihr diese offenen Worte den Atem verschlagen hatten. Er hatte das Problem umrissen; sie hatte erwartet, dass er auch eine Idee hätte, wie sie es lösen konnten.
Er widerstand dem intensiven, aber unpassenden Drang, ihre Wange zu streicheln. Nachdem er ihr lange in die Augen gesehen hatte, sagte er: »Britt, hör mir zu, hör mir gut zu. Du hast gesehen, wie ich lebe. Ich habe nichts zu verlieren. Keinen Beruf, keinen Besitz, keine Beziehung… nichts. Du dagegen bist auf dem Weg nach oben. Du stehst kurz vor dem beruflichen Durchbruch.«
»Was soll das heißen?«
»Stell dich.«
»Clark und Javier?«
»Dem FBI.«
Sie reagierte nicht so, wie er erwartet hätte. Sie lächelte. »Zugegeben, daran habe ich auch schon gedacht. Aber Mord ist ein Verbrechen, für das die einzelnen Bundesstaaten zuständig sind. Das FBI würde sich nur ungern damit befassen. Sie pfuschen nur ungern den örtlichen Behörden oder der städtischen Polizei dazwischen, wenn sie nicht offiziell aufgefordert werden, und dass das passiert, ist unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. Innerhalb weniger Stunden wäre ich wieder in der Gewalt von Clark und Javier und würde noch verzweifelter wirken. Ganz abgesehen davon würden sie mir die Hölle heißmachen, weil ich versucht hätte, sie zu übergehen.«
»Du könntest ihnen erzählen, wo sie dein Auto finden.«
»Aber könnte ich auch beweisen, dass ich von der Straße abgedrängt wurde?«
»Haben die beiden deine Stoßstange gerammt?«
»Nein.«
»Oder wenigstens den Kotflügel geschrammt, sodass der Lack abging?«
»Ich glaube nicht. Sie saßen mir dicht auf der Pelle, aber…«
»Kein Kontakt von Metall auf Metall?«
Sie schüttelte den Kopf. »Clark und Javier und wahrscheinlich sogar das FBI würden annehmen, ich hätte den Unfall inszeniert, um von meiner Schuld abzulenken.«
»Scheiße. Letztendlich beweist das nur, wie gut Butch und Sundance sind.« Er wühlte sich mit den Fingern durchs Haar und erklärte nach einer Litanei von Flüchen störrisch: »Niemand kann dir den Mord an Jay nachweisen. Dazu bräuchten sie mehr Beweise, als sie bis jetzt haben.«
»Vielleicht, trotzdem deuten alle Indizien darauf hin. Und was würde nach einem Mordprozess wohl von meiner Karriere übrig bleiben? Von meinem Bankkonto ganz zu schweigen. Einen guten Verteidiger zu verpflichten würde meine Ersparnisse in zehn
Tagen auffressen. Nach dem Prozess würde ich auf einem Schuldenberg sitzen. Selbst wenn ich freigesprochen würde, müsste ich mich ein Jahr lang vor Gericht verteidigen, und wer würde mich mit diesem Fleck auf dem Lebenslauf noch einstellen?
Genau wie bei dir ist das Leben, das ich früher geführt habe, unwiderruflich zu Ende, seit ich neben Jay aufgewacht bin. Sie haben mich benutzt, so wie sie Suzi Monroe benutzt haben, um dich auszuschalten. Ich kann von Glück reden, dass sie mich am Leben gelassen haben, eine Entscheidung, die sie inzwischen offenkundig bereuen. Ich war auf dem Weg nach oben, und sie haben mich in den Abgrund gestoßen. Darum will ich nicht nur diese Story und nicht nur Gerechtigkeit, ich will es auch diesen Schweinen heimzahlen.«
Insgeheim bewunderte er sie für das Feuer, das in ihren Augen brannte, aber er hatte immer noch Angst um sie. Angst um sie beide. »Schlaf darüber.«
»Brauche ich nicht.«
»Schlaf darüber.«
Um die Diskussion zu beenden, ging er im Zimmer herum, schaltete die Lichter aus, stellte dann einen Stuhl ans Fenster, setzte sich darauf und öffnete den Vorhang einen Spaltbreit.
Er hörte Papier rascheln und schloss daraus, dass sie die Ordner beiseiteräumte, damit sie Platz zum Schlafen hatte. Fünfzehn Minuten blieb es absolut still, dann sagte sie: »Butch und Sundance?«
»Das einzige Ganovenpaar, das mir spontan in den Sinn gekommen ist. Wir könnten sie auch als Killer A und Killer B bezeichnen.«
»Nein, Butch und Sundance gefällt mir besser.«
Wieder verstrichen fünf Minuten, dann fragte sie: »Willst du die ganze Nacht dort sitzen bleiben?«
»Noch eine Weile.«
Er wartete weitere fünfundvierzig Minuten ab, bevor er sich sicher genug fühlte, um seinen Wachposten
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