Süßer Tod
um. »Es gab noch eine unbeantwortete Frage, die mir keine Ruhe ließ. Wie hatte Jones das Feuer gelegt? Womit? Eigentlich hätten seine Hosentaschen durchsucht werden müssen, als er verhaftet wurde.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Er hatte irgendetwas in den Vernehmungsraum geschmuggelt.«
»Das könnte ich glauben, wenn man in dem Raum irgendwelche Brandbeschleuniger gefunden hätte.«
»Die sind mit verbrannt.«
»Benzin oder Kerosin kriecht in jede Ritze und Ecke. Selbst in dieser Verwüstung hätte man Spuren davon finden müssen. Außerdem hätte Jones unmöglich einen Benzinkanister hineinschmuggeln können.«
»Ein Streichholzheftchen?«, schlug sie vor. »Etwas so Kleines lässt sich leicht verstecken. In der Socke oder sonst wo. Er brauchte nur ein Streichholz anzuzünden und dann das Heft in den Papierkorb zu werfen, oder er hat sich ein paar Streichhölzer aufgehoben, um die Ablagerungen im Luftschacht in Brand zu setzen.«
Noch während sie sprach, begann er, den Kopf zu schütteln. »Kein Siliziumoxid. Das findet man auf Zündholzköpfen. Es übersteht selbst ein Feuer. Aber es wurde keines gefunden.«
»Es wurde also nie wirklich festgestellt, womit der Papierkorb in Brand gesetzt worden war?«
Er bemerkte zynisch: »Ich nehme an, Jones hätte zwei Stöckchen aneinanderreiben können. Aber das ist nicht alles. Wie konnte er das Feuer legen und dafür sorgen, dass es sich durch das ganze Gebäude ausbreitete, ohne dass er dabei selbst Rauch einatmete? Selbst wenn wir um der Sache willen annehmen, dass er es geschafft hat. Was versprach er sich davon?«
»Eine Fluchtmöglichkeit?«
»Okay. Das klingt vernünftig. Aber er hatte diese Prozedur schon unzählige Male durchlaufen. Er war erst einundzwanzig,
aber schon ein erfahrener Krimineller. Ihm muss klar gewesen sein, dass er in diesem Raum eingesperrt war. Es wäre doch ziemlich blöd, einen Brand in einem Raum zu legen, aus dem er nicht herauskam, oder?«
»Falls er einen Schädelbruch erlitten hatte und nicht mehr wusste, was er tat …«
»Vorausgesetzt, das stimmt.«
»Dann hat er vielleicht versucht, sich umzubringen.«
»Ein harter Junge wie er?« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Und wer würde einen so grauenvollen Tod wählen, selbst wenn ein Knochensplitter in seinem Hirn Kurzschlüsse auslöst?«
»Vielleicht wollte er den Polizisten nur einen Schrecken einjagen«, sagte sie. »Ihm war womöglich nicht klar, dass sich das Feuer so schnell ausbreiten würde, wenn es erst ins Lüftungssystem übersprang. Es war ein dummer Streich oder die Verzweiflungstat eines Irren, die zu einer Katastrophe führte.«
»Das erklärt noch nicht, warum er keinen Rauch eingeatmet hat«, widersprach er. »Aber das größte Rätsel an allem ist Jays Hinhaltetaktik. Er stand für sein Leben gern im Rampenlicht, Britt. Das weißt du selbst. Er war ehrgeizig und hatte hohe Ziele. Er hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er es irgendwann gern zum Polizeichef bringen wollte. Warum hat er die Ermittlungen damals nicht an sich gerissen, vor allem, nachdem der Pathologe festgestellt hatte, dass einer der Toten möglicherweise ermordet wurde?«
Er begann auf und ab zu gehen. »Jay arbeitete im Morddezernat. Er hätte auf diese unerwartete Wendung anspringen müssen. Durch die Ermittlungen hätte er noch mehr Schlagzeilen gemacht und wäre noch prominenter geworden. Stattdessen distanzierte er sich von meinen Ermittlungen und wollte auf keinen Fall etwas damit zu tun haben. Was Jay ganz und gar nicht ähnlich sah.«
»Ganz und gar nicht.«
»Ich glaube, er schob die Ermittlungen von sich weg, weil er
das Ergebnis fürchtete. Er fürchtete, es könnte ihn oder einen seiner Freunde zugrunde richten.«
»Du warst auch sein Freund, Raley.«
»Aber ich hatte nichts mit dem Verbrechen zu tun.« Er blieb stehen und sah sie offen an. »Mein Instinkt sagt mir, dass unsere vier Helden etwas vertuschen wollten, das mit Cleveland Jones und vor allem mit seinem Tod zusammenhängt. Das Feuer wurde gelegt, weil niemand erfahren sollte, was in diesem Raum passiert war. Und genau das wollte Jay dir im Wheelhouse gestehen.«
Sie stimmte ihm nicht zu und widersprach ihm nicht, sondern erwiderte mit nachdenklich gerunzelter Stirn schweigend seinen Blick. Nach langer Stille wandte sie das Gesicht ab und atmete tief aus. »Du denkst, jemand hat ihn umgebracht.«
»Genau. Glaubst du, ich habe recht?«
Sie sah ihn wieder an. »Eher, als ich glaube, dass du
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