Süßer Tod
Stuhl am Esstisch. Raley nahm seinen früheren Platz wieder ein. Delno ließ sich auf dem dritten Stuhl nieder.
Britt schien all Energie verbraucht zu haben. Sie saß mit hängenden Schultern da und starrte blind auf die Macken in der Tischplatte. Eine davon fuhr sie mit dem Daumennagel nach. Schließlich schaute sie auf und erkannte, dass er und Delno sie gespannt ansahen.
Sie wandte sich an Delno, als hätte sie ihn erst jetzt wirklich zur Kenntnis genommen. »Wer sind Sie eigentlich?«
»Delno Pickens«, antwortete er, und Raley sagte gleichzeitig: »Mein Nachbar. Er wohnt ein paar Meilen von hier.«
Er erinnerte sich an sein erstes Zusammentreffen mit Delno und daran, wie ihn der Anblick des alten Waldschrats schockiert hatte. Sicherlich empfand Britt in diesem Moment die gleiche Mischung von Faszination und Abscheu. Delno trug grundsätzlich kein Hemd unter seiner Latzhose, wenn es nicht gerade eiskalt war. Dadurch waren seine Arme und sein Oberkörper fast das ganze Jahr den Elementen ausgesetzt. Seine Haut war faltig
wie Krepp, zu Leder gegerbt und mit einem dünnen weißen Haarflaum überzogen.
Nachdem er seinen Hut so gut wie nie absetzte, war seine natürliche Haarfarbe nur schwer zu erkennen. Ein zotteliger Pferdeschwanz hing ihm auf den Rücken. Er fettete ihn regelmäßig ein, um die Läuse abzuschrecken. Wenigstens hatte Raley sich das so zurechtgelegt.
Es zeugte von Britts grundsätzlich gütigem Wesen, dass sie neben dem Mann sitzen blieb, denn das Baden lehnte er ebenso ab wie jede Haarwäsche. Vielleicht hatte es auch gar nichts mit ihrem gütigen Wesen zu tun. Vielleicht war sie vor Schreck versteinert und schaffte es nicht mehr, seinem überreifen Geruch auszuweichen.
»Raley hier will sich keinen Fernseher anschaffen«, sagte er zu Britt. »Er sagt, er hasst die verfluchten Dinger. Also muss ich jedes Mal herkommen, wenn was wirklich Wichtiges passiert.«
»Sie haben Jays Kissen?« Ihre Stimme war immer noch dünn und kratzig.
Delno nickte. »Sie haben es gleich am Morgen als Beweisstück mitgenommen. Haben gesagt, es hat neben dem Bett auf dem Boden gelegen. Eins von diesen harten Schaumstoffdingern. Man konnte seinen Kopfabdruck davon abnehmen. Man hat von Anfang an vermutet, dass Sie ihn erstickt haben, aber die Polizei wollte nicht damit rausrücken, bis es der Gerichtsmediziner bestätigt hat.«
»Selbst wenn er mit seinem Kissen erstickt wurde, war ich das nicht, Mr … äh…«
»Pickens. Und es ist mir schnurzegal, ob Sie das waren oder nicht.«
Sie schob scharrend den Stuhl zurück, stand auf und ging an den Kühlschrank, um eine Flasche Wasser herauszuholen und gierig zu trinken. Raley spürte, dass Delno ihn kritisch beobachtete, und las in den blutunterlaufenen Augen des alten Mannes tausend unbeantwortete Fragen. Er tat so, als hätte er nichts bemerkt.
Britt sagte: »Die Polizei war bei mir zu Hause, um mich zu verhaften. Wie haben sie das gemeint, als sie sagten, es hätte so ausgesehen, als sei ich vor der Verhaftung geflohen?«
»Also…«
»Die Frage kann ich beantworten«, sagte Raley. »Ich habe gestern Nachmittag meinen Pick-up stehen lassen und bin per Anhalter in die Stadt gefahren. Nachdem ich kurz im Wheelhouse war, bin ich zu Fuß zu Ihnen nach Hause.«
»Das sind …«
»Ein paar Meilen. Nachdem ich Sie k. o. gesetzt habe, wollte ich…«
»Du hast sie k. o. geschlagen?«
Er ging gar nicht auf Delnos Zwischenruf ein. »Ich habe nach Ihren Autoschlüsseln gesucht und sie am Haken neben der Hintertür hängen sehen. Also bin ich, genau wie Sie es immer tun, durch die Hintertür aus dem Haus gegangen und habe dabei den Alarm wieder eingeschaltet.«
»Wie haben Sie das geschafft?«
»Ich habe zugesehen, wie Sie den Code zum Abschalten eingegeben haben, und kannte ihn daher.«
»Ach.«
»Danach habe ich noch Ihr Bett gemacht und Ihre Handtasche mitgenommen. Sie liegt übrigens noch in meinem Wagen.«
»Aber ohne mein Handy.«
»Genau.«
Sie versuchte zu verarbeiten, was er ihr gerade erzählt hatte. »Also deutet nichts auf einen Kampf hin.« Er nickte. »Sie haben keine Spuren hinterlassen, sondern dafür gesorgt, dass es so aussieht, als wäre ich auf der Flucht.«
»Mehr oder weniger. Genau das wollte ich erreichen.«
»Super. Fantastisch.« Sie seufzte vergrätzt. »Wie haben Sie mich aus dem Haus geschafft?«
»Ich habe Sie getragen. Ich bin ausgebildet, Menschen zu retten, vergessen Sie das nicht.« Ohne eine Reaktion abzuwarten,
fuhr er
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