Süßer Tod
fort: »Dann bin ich mit Ihrem Wagen zu meinem Pick-up gefahren.«
»Ich kann mich erinnern, dass Sie mich aus meinem Wagen gehoben haben.«
»Mir war klar, dass Sie da schon wieder bei Bewusstsein waren.«
»Wo steht mein Wagen jetzt?«
»Auf einem verlassenen Flugfeld. Mitten im Nirgendwo. Am Ende einer ungeteerten Straße. Dahin kommt so schnell niemand.«
»Woher kennen Sie den Ort?«
»Jays Onkel hatte in der Nähe eine Jagd gepachtet. Wir haben da draußen Zielschießen geübt.«
Sie verzog bekümmert das Gesicht, als sie Jays Namen aus seinem Mund hörte. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass er tot ist und dass er so gestorben sein soll. Er muss sich doch gewehrt haben.« Sie senkte den Kopf und massierte ihre Schläfen. »Ich würde mich so gern erinnern. Ehrlich . Aber ich kann es nicht.«
»Die Polizei meint, er hat zu viel Whisky gekippt, als dass er sich noch ernsthaft wehren konnte«, sagte Delno. »Außerdem hat ihm natürlich der Krebs zu schaffen gemacht. Bestimmt war er dadurch noch schwächer.«
»So schwach, dass sogar eine Frau ihn umbringen konnte«, verdeutlichte Raley.
»Genau das hat der Bulle auch überlegt«, bestätigte Delno und kratzte sich in der Achselhöhle. »Clark hieß der Junge, glaube ich.«
»Er ist einer der Detectives, die mich vernommen haben.«
»Ich kenne ihn«, sagte Raley. »Ein guter Polizist. Seiner Arbeit verpflichtet. Und hundertprozentig loyal gegenüber seinen Kollegen, vor allem gegenüber Jay. Wenn die Beweise darauf hindeuten, dass Sie ihn umgebracht haben, wird Clark Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Sie vor Gericht und hinter Gitter zu bringen.«
Sie wandte sich ab und schaute durch das Fenster über der Küchenspüle. Raley sah Delno an und schüttelte den Kopf, als er merkte, wie sich auf dessen tabakfleckigen Lippen eine Frage bildete, woraufhin Delno stumm blieb.
Schließlich sah Britt ihn wieder an. »Erzählen Sie mir, was Ihnen damals passiert ist, Raley.«
»Setzen Sie sich.« Er nickte zu dem Stuhl neben seinem hin. Gehorsam nahm sie wieder Platz.
Dafür stand jetzt Delno auf. »Ich kenn die Geschichte schon, und ich will sie nicht noch mal hören. Ich geh raus zu den Hunden.«
Die Fliegentür knallte hinter ihm zu. Die Hunde empfingen ihn leise winselnd, standen auf, streckten sich und strichen dann um seine Beine. Er verschwand, seine Hundemeute und einen Schwall halblauter Flüche hinter sich herziehend.
»Ein echtes Unikum«, bemerkte Britt.
»Sie wissen nicht mal die Hälfte. Er nährt einen leidenschaftlichen Hass auf die ganze Menschheit. Mich erträgt er. Allerdings nur gelegentlich und selbst dann nur mit Mühe.«
»Nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, war er auch zu mir ganz freundlich.«
Raley musterte sie kurz von Kopf bis Fuß, dann sah er weg und murmelte: »Bei Ihnen ist das was anderes.«
Er stand abrupt vom Tisch auf, aber nur lang genug, um sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen. Dann setzte er sich wieder hin und fragte: »Woher wissen Sie, dass Jay und ich zusammen aufgewachsen sind?«
»Er hat es mir erzählt. Er meinte damals, er wäre mit Ihnen befreundet gewesen, seit er denken kann.«
»Vom Kindergarten durch die ganze Collegezeit hindurch und darüber hinaus. Unsere Eltern glaubten, wir würden uns sogar das Hirn teilen. Alles andere haben wir sowieso geteilt. Fahrräder, Spielsachen, Anziehsachen, Mädchen.«
»Mädchen?«
»Manchmal. In den wilderen Zeiten«, bestätigte er ohne jede Verlegenheit, soweit sie feststellen konnte.
Sie konnte sich die beiden in jedem Lebensalter vorstellen, am besten jedoch als Collegestudenten. Gleichermaßen attraktiv. Jay: blond, schmeichlerisch, charmant. Raley: dunkel und… und was? Jedenfalls nicht schmeichlerisch und charmant. Andererseits war er möglicherweise durchaus charmant gewesen, bevor sein Leben auf den Kopf gestellt worden war. Vielleicht war der bärtige, finstere Einsiedler einst ein noch größerer Frauenheld gewesen als Jay.
»Wir wussten schon im Kindergarten, dass Jay eines Tages zur Polizei gehen würde und ich Feuerwehrmann werde.«
»Das waren Ihre Kindheitsträume?«
»Schon immer. Als wir uns im College einschrieben, wussten wir genau, was wir lernen wollten.«
»Worin haben Sie abgeschlossen?«
»In zwei Fachrichtungen. Brandschutz. Außerdem Katastrophenschutz. Danach absolvierten Jay und ich gemeinsam die Polizeischule.«
Sie sah ihn verdutzt an. »Sie waren auf der
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