Süßer Tod
Polizeischule?«
»Um in Brandstiftungsdelikten ermitteln zu dürfen, muss man eine Ausbildung als Polizist haben. Sonst muss der Feuerwehrinspektor, wenn er eine Brandstiftung vermutet, den Fall der Polizei übergeben.«
»Ich verstehe. Sie machten also erst einen Abschluss als Polizist.«
»Danach kam die Ausbildung zum Feuerwehrmann und zuletzt der Abschluss als Ermittler für Brandstiftungsdelikte.«
Sie war beeindruckt, wie umfassend sein Studium und seine Ausbildung waren.
Er fuhr fort: »Jay und ich schafften es, in unseren jeweiligen Jobs schnell nach oben zu kommen. Ich kletterte bei der Feuerwehr die Karriereleiter hinauf. Jay wurde noch vor seinem selbst
gesetzten Termin Detective. Wir blieben beste Freunde.« Er verstummte und trank einen Schluck Wasser.
»Und dann?«
»Und dann kam der Brand in der Polizeizentrale. Der änderte alles.«
Er schob die Tabascoflasche beiseite und griff nach der Zahnstocherschachtel, mit der er schon vorhin gespielt hatte.
Sie konnte es kaum erwarten, seine Geschichte zu hören, aber sie wartete schweigend ab, bis er seine Gedanken geordnet hatte. Sie versuchte, nicht an die Polizisten zu denken, die mit einem Haftbefehl ausstaffiert die Straßen von Charleston abfuhren und nach ihr suchten, fest überzeugt, dass sie nicht nur einen Mord begangen hatte, sondern auch geflohen war, um nicht festgenommen zu werden.
Sie wusste genau, was sie aus so einer Story gemacht hätte, wenn sie nicht selbst die Hauptrolle darin gespielt hätte. Was sie aus ähnlichen Storys gemacht hatte. Ob sich die Betroffenen in ihren Sondermeldungen genauso vor der Zukunft gefürchtet hatten wie sie jetzt? Nicht ein einziges Mal hatte sie sich in die Lage eines Angeschuldigten versetzt. Keine Sekunde hatte sie damit vergeudet, sich seine Verzweiflung auszumalen. Immer hatte sie ausschließlich daran gedacht, wie viele Sekunden sie vor der Kamera bekommen würde, um über das Verbrechen, die Flucht, die Festnahme zu berichten.
»Ich hatte an dem Tag dienstfrei«, riss Raley sie aus ihren Gedanken. »Aber ich wohnte damals in der Innenstadt und konnte die Sirenen hören, darum war ich schon auf dem Weg zum Feuerwehrhaus, als mein Handy läutete.« Er sah sie kurz an. »Damals hatte ich noch eins.« Sie lächelte verzagt; er fuhr fort: »Der Brand hatte einen Großalarm ausgelöst. Ich sollte sofort kommen.«
Sie beobachtete, wie sich seine Miene wandelte, während er sich diesen Tag ins Gedächtnis rief. »Ich werde das nie vergessen. Sie können sich die Hitze nicht vorstellen.«
»Doch, das kann ich wohl. Ich habe über den Brand der Sofafabrik berichtet.«
Eine weitere Brandkatastrophe, bei der neun Feuerwehrleute gestorben waren.
»Kannten Sie einige der Männer, die bei dem Brand ums Leben kamen?«, fragte sie.
»Drei gut«, bestätigte er traurig. »Die anderen vom Sehen und vom Namen her.«
Eine Weile schwiegen beide, dann erzählte er weiter. »Der Brand in der Polizeizentrale war nicht weniger heiß. So muss es in der Hölle sein. Ein Feuer, das alles verschlingt, ohne Aussicht auf Rettung.«
»Sie waren in dem Gebäude?«
»Nein. Bis ich dort ankam – ich glaube, ich brauchte sechs Minuten –, herrschte dort ein Inferno. Das Dach war bereits eingebrochen. Und dann stürzte ein Stockwerk nach dem anderen ein. Alle, die evakuiert werden konnten, waren schon draußen. Ich stieg in meine Ausrüstung, aber unser Captain ließ niemanden mehr in die Flammen. Wer jetzt noch im Gebäude war, war hoffnungslos verloren.
Zu diesem Zeitpunkt mussten wir uns damit begnügen, den Brand auf dieses Gebäude einzugrenzen. Der erste Alarm war um achtzehn Uhr zwei ausgelöst worden. Zwölf Stunden später waren wir immer noch damit beschäftigt, Brandherde zu löschen.« Er sah sie an. »Haben Sie damals schon in Charleston gewohnt?«
»Ich bin ungefähr einen Monat später hergezogen. Das Gebäude war da noch ein verkohlter Trümmerhaufen. Und die Ermittlungen über die Brandursache waren noch nicht abgeschlossen.«
»Ja. Meine Ermittlungen.«
»Ich weiß, dass Sie den Brand untersucht haben.«
»Aber das haben Sie Ihren Zuschauern damals verschwiegen.« Seine Züge verhärteten sich. Der Zorn strahlte spürbar von ihm aus.
»Ich hielt es nicht für wichtig«, gab sie zu.
»Immer wieder haben Sie über mich berichtet, und kein einziges Mal haben Sie das erwähnt.«
»Es hatte nichts mit dem Tod des Mädchens zu tun.«
»Trotzdem hätten Sie mich danach fragen sollen, oder?
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