Süßer Tod
über die Sache zerbrochen. Ich weiß, dass ich müde war. Die Margaritas waren ungewöhnlich stark. Erklärt es mit einer Stoffwechselstörung oder was auch immer. Ein Drink hätte mich möglicherweise tatsächlich k. o. setzen können. Er könnte mich möglicherweise dazu verleitet haben, mit diesem Mädchen zu schlafen. Sie sah super aus, und sie hat sich an mich rangeworfen.
Aber ich habe keinesfalls so viel getrunken, dass ich einen Filmriss haben kann. Das kann ich einfach nicht glauben.« Er
holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Ich glaube, man hat mich unter Drogen gesetzt.«
Die drei Männer sahen ihn ungläubig an. Ihre Mienen ließen keine Reaktion erkennen. Schließlich antwortete Jay: »Unter Drogen gesetzt? Wer, das Mädchen?«
»Sie hat mir schließlich den Drink gebracht. Sie nimmt Drogen.«
»Vermutlich«, sagte Wickham.
»Vermutlich«, gestand Raley ihm zu.
»Ganz eindeutig«, korrigierte Jay. »Wir haben das Zeug in ihrer Handtasche gefunden, und ich habe inzwischen die Freundin ausfindig gemacht, mit der sie gekommen ist. Die beiden hatten schon gekokst, bevor sie auf die Party fuhren.«
Raley war überrascht, dass Jay das in so kurzer Zeit herausgefunden hatte. Jays Fähigkeiten als Ermittler beeindruckten ihn nicht weniger als seine Loyalität. Falls er auch nur ein Wort von Raleys Geschichte anzweifelte, ließ er sich das nicht anmerken.
McGowan wurde zum Telefon gerufen und ging aus dem Raum.
Jay sah auf die Uhr. »Als Hallie vorhin anrief, hat sie mir erzählt, wann sie ankommen würde. Falls der Flug pünktlich ist, landet sie in nicht einmal einer Stunde.«
Hallie, Jesus. Die Piloten kündigten in diesem Moment wohl den Landeanflug auf Charleston an. Sie freute sich bestimmt schon auf das Wiedersehen am Gepäckband. Wahrscheinlich puderte sie sich gerade die Nase, trug frischen Lipgloss auf, prüfte den Sitz ihrer Frisur, nahm Atemspray und stellte sich in aller Unschuld vor, wie sie in die Arme ihres treuen Verlobten fiel. Es brach ihm das Herz, wenn er sich vorstellte, wie enttäuscht sie wäre, wenn sie von seinem Betrug erfuhr.
Eigentlich waren sie beide nicht übertrieben eifersüchtig. Hallie flippte nicht gleich aus, wenn er sich mit einer anderen Frau unterhielt, und er bekam keine Magenkrämpfe, nur weil sie mit zwei männlichen Kollegen aus ihrer Bank nach Boston flog. Sie vertrauten sich gegenseitig.
Wie in aller Welt sollte er ihr erklären, was gestern Abend passiert war, wenn er es sich selbst nicht erklären konnte? Er versuchte sich auszumalen, wie er ihr gegenübertrat und sein Geständnis vorbrachte. Wie sollte er auch nur annähernd die richtigen Worte finden? Welche Worte konnten das, was er getan hatte, in ein besseres Licht rücken? Dafür gab es keine Worte. Die Frau, die er liebte, wäre bis ins Mark getroffen, und er konnte nichts daran ändern.
Jay drückte seine Schulter. »Soll ich sie nicht lieber abholen? Ich erzähle ihr knapp, was passiert ist. Damit federn wir den Schlag ein bisschen ab, und sie ist vorbereitet, wenn sie die Einzelheiten von dir erfährt.«
McGowan war inzwischen zurückgekehrt und sagte: »Ein guter Plan. Jedenfalls soweit es darum geht, Hallie abzuholen. Raley muss noch hierbleiben.«
»Weswegen?«, fragte Jay.
»Wegen Cobb Fordyce. Er hat gehört, was passiert ist. Er will die Einzelheiten erfahren.«
Cobb Fordyce war der ehrgeizige District Attorney des Countys. Man sagte ihm einen sechsten Sinn nach, welche Fälle er vor Gericht bringen musste und von welchen er besser die Finger ließ. Seine Kritiker meinten, sein sechster Sinn sei eher an seine Karrierepläne als an seinen Gerechtigkeitssinn gekoppelt, aber die Kritiker waren in der Minderheit. Die Wähler hielten hohe Stücke auf ihn. Er hatte schon immer gern Schlagzeilen gemacht, und seit dem Brand und seinem heldenhaften Einsatz hatte er die Presse bei jeder Gelegenheit bedient.
Wütend fragte Jay: »Wer hat ihn angerufen?«
»Ist doch egal, Jay. Du bist Bulle, und in deiner Wohnung lag jemand mit einem toten Mädchen im Bett. Diese Sanitäter kennen Raley. Früher oder später musste der DA Wind davon bekommen.«
»Sie ist an einer Überdosis gestorben«, rief Jay aus.
»Dann habt ihr beide doch nichts zu befürchten, oder?«, sagte
McGowan. »Dass sich der DA einschaltet, geschieht rein … wie nennt man das noch? Routinemäßig?«
»Pro forma«, erklärte Raley dumpf.
»Genau«, sagte McGowan. »Pro forma. Lass Jay deine Lady am Flughafen
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