Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Wohlergehen des anderen über die eigenen Bedürfnisse zu stellen? Gewiss, doch sollten nicht Vertrauen und Ehrlichkeit die Eckpfeiler einer wahren Liebe bilden? Niemals zuvor hatte Armand sich einem Problem gegenübergesehen, das weniger schwarz und weiß war, und auch keinem, bei dem die Stränge von Gut und Böse so miteinander verwickelt und verwoben waren und sich immerfort in einem engen, unauflösbaren Knoten verhedderten.
Dominies fürsorgliches Murmeln riss ihn aus seinen verworrenen Grübeleien. "Hat unser Liebesspiel deine Wunde verschlimmert, Liebster? Ich hätte mich gedulden sollen, bis sie völlig verheilt ist! Doch hatten wir schon so lange gewartet!"
Auf keinen Fall gedachte er ihr diesen Augenblick der Seligkeit zu ruinieren, und sollte er für seine gut gemeinte Täuschung auch in der Hölle braten müssen. "Da habe ich schon Ärgeres ausgehalten …" Er neckte sie mit ihren eigenen Worten, während er sie noch enger an sich zog. "… und aus weit weniger löblichem Anlass!"
Sie ließ ein verhaltenes, glucksendes Lachen hören und liebkoste seine Wange. "Wenn es nicht deine Verwundung ist, was lastet dir dann auf der Seele? Habe ich weniger getan, als es eine Frau sollte, wenn sie bei ihrem Gemahle liegt? Allein, mir war, als hätte es dir durchaus gefallen!"
"Keinem Mann hätte größerer Genuss bereitet werden können!" Armand schalt sich dafür, dass er ihr Anlass gegeben hatte, etwas anderes anzunehmen. "Wie kommst du darauf, mich könne etwas bedrücken?"
Möglicherweise hätte sein Mienenspiel ihn verraten, aber in der Dunkelheit war sein Gesicht nicht zu sehen.
"Du hast aber eben so geseufzt!" Sie zwickte ihn in die Schulter. "Und deine Muskeln sind völlig verspannt, während meine sich wie Talg anfühlen!"
Dominie war erheblich scharfsichtiger, als Armand lieb war! Die Wahrheit durfte er ihr nicht sagen, auch wenn er es noch so verabscheute, ihr zur Tarnung seines letzten großen Ausweichmanövers dieses Lügenmärchen auftischen zu müssen, und seien sie noch so lässlich.
"Ich habe bloß nachgedacht …" Seine Ausflucht musste plausibel klingen, sonst hätte Dominie das Ganze im Nu durchschaut. "Vielleicht hätten wir warten sollen, bis unser Ehebund den Segen der Kirche hat. Immerhin ist die Ehe ein Sakrament!"
Dominies Haar streifte seine Wange, als sie den Kopf schüttelte. "Ach, Flambard! Ich hätte es gleich wissen müssen, dass ein einziges Techtelmechtel mit einer Frau nicht reichen würde, um dich von deinen mönchischen Anwandlungen zu kurieren! Versuche doch nicht andauernd, dich selber zu kasteien und dich in Selbstvorwürfen zu zerfleischen! Dies zwischen uns war doch keine flüchtige Liebelei, sondern die Erfüllung von etwas, auf das wir lange gewartet haben! Der Beginn eines gemeinsamen Lebens!"
Ihre Stimme klang wie die süßeste Mischung aus liebevoller Verzweiflung, Langmut und gutem Zureden. "Nach all dem, was wir durchmachen mussten, um zueinander zu finden, wird unser himmlischer Vater bestimmt so gnädig sein und es uns verzeihen, dass wir dies eine Mal den zweiten vor dem ersten Schritt getan haben. Wenn es dich aber beruhigt, können wir es mit Fasten versuchen oder ganz viele Ave Marias beten!"
Hätte er durch Fasten und Beten seine Hände reinwaschen können, so dass der Makel von Baldwin de Montfords Blut nicht länger an ihnen haftete – Armand hätte mit Freuden gehungert, bis er nur noch Haut und Knochen gewesen wäre, und wäre flehend auf den Knien gerutscht, bis diese wund wären.
"Zweifellos hast du Recht, Liebste." Er zwang seinen Körper dazu, sich zu lockern, und rang sich ein krampfhaftes Lächeln ab, auch wenn Dominie dieses gar nicht sehen konnte. Wenn er vermeiden wollte, dass sie sein Geheimnis entdeckte, musste er lernen, jene Schuld zu verheimlichen, welche schwerer denn je auf ihm lastete.
"Freilich habe ich Recht! Und wenn dir mein Wort nicht genügt, dann frage doch Abt Wilfrid, wenn er eintrifft, um unserer Vermählung seinen Segen zu spenden."
"Warum, mein Herz, sollte ich deine Worte anzweifeln?" Armand küsste sie auf den Scheitel. "Aus dir sprechen Verstand und Mitgefühl. Gleichwohl werde ich deinem Rat folgen und den Abt um ein Gespräch bitten."
Armand war überzeugt, dass ein weiser Mann wie der ehrwürdige Abt gewiss einen Weg durch das moralische Brachland wusste, in welches er sich vorgewagt hatte. Und in welchem er sich auf immer zu verirren fürchtete …, wenn er nicht längst darin verloren war!
War das
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