Süßer Zauber der Sinnlichkeit
als das konnte sogar eine Bedrohung darstellen.
Ihr verstocktes, törichtes Herz indes achtete nicht auf die sachlichen Aufrufe ihres Hirns. Sie wollte Armands Liebe, zum Teufel! Und sie fürchtete, sie könne womöglich erst dann zufrieden sein, wenn sie diese mit Bestimmtheit gewonnen hatte.
Während sie über den Burghof schlenderte und überprüfte, ob auch alles seine Richtigkeit hatte, wurde sie durch einen Schrei vom Wachhaus her aus ihren Gedanken aufgeschreckt. "Ein Reiter! Er nähert sich schnell!"
Sofort krampfte sich ihr Magen zusammen. Hätte sie nie wieder das Burgtor für einen Melder mit Hiobsbotschaft öffnen müssen – sie wäre dankbar dafür gewesen. Dennoch eilte sie nun, die Röcke gerafft, auf das Torhaus zu.
Aus der entgegengesetzten Richtung kam auch Armand gerannt, der das Torhaus vor ihr erreichte und hinaufkletterte, um über die Holzbrüstung zu spähen. "Öffnet das Tor!" befahl er laut.
Eiligst befolgten die Wachen seinen Befehl und ließen einen Schecken hinein, welcher, wie Dominie nun sah, aus Harwoods Stallungen stammte. Erschreckt zusammenzuckend erkannte sie auch den jungen Reiter, der sich der Länge nach über den Pferdehals streckte. Aus seiner Schulter ragte ein Pfeil. Der Mann gehörte zu jener Eskorte, welche sie einige Tage zuvor losgesandt hatte, um den Abt zu holen. Dominie stürzte auf ihn zu und rief nach Wasser, Wein und Tüchern.
"Wir wurden überfallen … auf der alten Landstraße … zwei Meilen von hier …" Es hätte nicht viel gefehlt, und der Jüngling wäre ohnmächtig geworden, doch er wehrte sich mit grimmiger Beharrlichkeit gegen die Bewusstlosigkeit. "Ich wurde vorausgeschickt … um Hilfe zu holen …"
"Wohlgetan, Junge!" lobte Armand.
Kaum hatte der junge Meldereiter seine Worte hervorgestoßen, da verdrehte er schon die Augen und begann, von seinem Reittier herunterzurutschen.
Armand warf Dominie einen Blick zu. "Kümmerst du dich um ihn?"
Das absolute Vertrauen, das in seinen Augen lag, stellte Dominies Selbstbewusstsein wieder her. So vergeudete sie keine Zeit mit Worten, sondern nickte nur energisch und streckte die Arme nach oben, um den jungen Mann zu stützen, der nun aus dem Sattel glitt.
Mit lauter Stimme befahl er allen zur Verfügung stehenden Männern, sich zu bewaffnen und zum Abmarsch einzufinden. Dann schwang er sich in den soeben erst freigewordenen Sattel.
"Armand, nein!" schrie Dominie auf. "Deine Wunde ist noch nicht verheilt! Du hast deine Rüstung nicht an!"
Er verzichtete auf eine Rechtfertigung, sondern hielt nur den Blick unverwandt auf Dominie gerichtet. Dann wendete er das erschöpfte Tier und trieb es aufs Burgtor zu.
Obschon Herz und Hirn sich gegen die Erkenntnis auflehnten, wusste sie doch, dass er nicht anders konnte. Und an einem hegte sie keinen Zweifel: Was immer ihn auch bekümmern mochte – er liebte sie doch!
Dies Wissen indes war ihr ein schwacher Trost, denn möglicherweise ritt er, verwundet und unbewaffnet, geradewegs in den Tod.
Dies ist deine Schuld!
Diese unheilvolle Selbsterkenntnis jagte Armand mit jedem Pulsschlag durch die Adern, wie im grausigen Takt zum Galopp des Rosses. Der Wind peitschte sein Haar, und jedes Mal, wenn die stampfenden Hufe den Boden berührten, fuhr ihm ein dumpfer Schmerz durch die Seite.
Er hätte doch voraussehen müssen, dass St. Maur sich nicht nach der ersten überstürzten, wenn auch glücklich verlaufenen Kampfansage an seine Schreckensherrschaft lammfromm verkriechen würde! Denn damit hätte er weiteren Widerstand geradezu herausgefordert – etwas, was diese gesetzlose Bande sich keinesfalls leisten konnte.
Dominie aber hatte unbedingt glauben wollen, dass eine gehörige Abfuhr ihr Anwesen auf immer von der Gefahr befreien würde. Armand, der es nicht über sich brachte, ihr diese Illusion zu rauben, hatte sich selbst in einem Augenblick der Schwäche diesem verführerischen Wunsche ergeben – wider besseres Wissen.
Sollte jenen Männern etwas zustoßen, welche von Breckland aus zu Abt Wilfrid losgeschickt worden waren, dann würde ihr Blut genauso an Armands Händen kleben wie das von Lord Baldwin.
Er war noch nicht weit geritten und kaum außer Sichtweite der Burg, als er sie kommen sah – drei fromme Brüder, die schwarzen Kutten bauschend im Wind, alle inmitten eines Pulks von Reitern und verzweifelt bemüht, auf bereits ermatteten Rossen ihren Verfolgern zu entkommen. Ein halbes Dutzend Bewaffneter hielt sich zu beiden Flanken und hinter den
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