Süßer Zauber der Sinnlichkeit
zu begraben. Also zerrte er die Leiche zu einer Mulde und bettete sie dort hinein. Bevor er daran ging, umgestürzte Stämme und abgebrochene Äste über den Leichnam zu breiten, hielt er einen Augenblick inne und flüsterte ein Gebet. Als er die Augen wieder aufschlug, sah er, dass Dominie ihn von der Seite musterte.
Düster verzog er das Gesicht. "Kein Zweifel, diesem Schurken droht die ewige Verdammnis. Das aber ist umso mehr Grund, für seine Seele zu beten. Wir werden ja niemals erfahren, was ihn zu seinen Taten verführt oder zu einem Leben der Wegelagerei getrieben hat. Die Gnade unseres Herrn aber dürfen wir ihm nicht versagen. Eines Tages brauchen wir sie vielleicht selbst, möglicherweise mit nicht mehr Anspruch darauf als dieser Mann!"
Als er dann schließlich den Toten so anständig wie möglich bestattet hatte, spürte er die Morgenkühle schon nicht mehr. Er suchte seine Kleidungsstücke zusammen. "Ich muss nun wieder meinen Habit anlegen. Auch meinen Stock und deinen Brotbeutel müsste ich eigentlich holen. Kommst du wohl für ein Weilchen allein zurecht? Ich bin im Nu zurück, das verspreche ich dir!"
Er hatte den Eindruck, als schenke sie ihm keine Beachtung, denn sie hockte nur da, die Arme eng um die angewinkelten Knie geschlungen, in den Augen einen teilnahmslosen Blick. Doch auf die Frage reagierte sie mit einem wortlosen Nicken.
"Tapfere Dominie!" Er tätschelte ihr die Schulter, und dann eilte er fast so schnell, wie er zuvor fortgerannt war, zurück zu ihrem gemeinsamen Schlafplatz.
Als er seine Kutte überstreifte, hörte er plötzlich Hundegebell und menschliche Stimmen, die sich dem Walde näherten. Für einen Augenblick verharrte er wie erstarrt. Die drohende Gefahr raubte ihm fast den Atem. Dann aber handelte er blitzschnell.
In den Händen Dominies Wams und Beutel, dazu seinen Umhang und seinen Stecken, hastete Armand den Waldweg entlang. Nie zuvor hatte er um das eigene Leben so gefürchtet wie nun um das von Dominie.
7. Kapitel
Als sie das dumpfe Stampfen von Schritten auf dem Pfad hörte, zitterte Dominie erneut.
Sie wollte sich aufraffen und fortlaufen, doch die Beine versagten ihr den Dienst. Allein ihre Hände hatten noch die Kraft, sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf zu ziehen und sich so klein wie möglich zusammenzukrümmen. Mit etwas Glück, so hoffte sie, würde man sie vielleicht nicht entdecken.
Die Schritte kamen näher und näher. Auf einmal hielten sie an, und unmittelbar in der Nähe ertönte Armands gedämpfte Stimme. "Dominie? Wo steckst du? Wir müssen fort!"
Sie wollte ihn rufen, aber ihr blieben die Worte im Halse stecken. Stattdessen hob sie die Hand, streifte die Haube zurück und sah ihn dann auf dem Wege stehen.
Auch er erblickte sie nun und kam mit wehenden Gewändern auf sie zugeeilt. "Gütiger Himmel! Du hast mich zu Tode erschreckt! Ich dachte schon, dir sei etwas Schlimmes zugestoßen!"
Nachdem er alles, was er in Händen hielt, fallen ließ, streifte er ihr mit energischen, doch sanften Händen den Mantel ab. Wie unter einem merkwürdigen Zwang wehrte Dominie sich und hüllte sich nur noch enger in ihre Kleider. Ihr war, als beraube Armand sie ihrer einzigen Quelle von Schutz und Trost.
"Hast du nicht gehört, was ich sagte?" Er ging vor ihr in die Knie und hob mit dem Finger ihr Kinn an, damit sie ihm in die Augen sah. "Wir müssen uns so weit wie möglich von hier entfernen! Ich habe Leute gehört, die sich nähern. Mag sein, dass sie uns nichts Böses wollen, doch nach allem, was soeben geschehen ist, möchte ich lieber kein Risiko eingehen. Mach, lege dein Wams wieder an", drängte er sie. "Damit wir endlich aufbrechen können!"
Der beruhigende Ton seiner Stimme und sein hartnäckiger Blick verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Verkrampfung in ihren Gliedern ließ ganz allmählich nach, und sie löste den Griff, mit dem sie wie verzweifelt den Mantel hielt, so dass Armand ihn ihr von den Schultern streifen konnte.
Er angelte sich das Wams vom Boden. "Und nun zieh dies über den Kopf, dann bist du bald …" Abrupt unterbrach er sich, als sein Blick über die Vorderseite ihres Leinenhemdes glitt.
Dominie ließ die angewinkelten Beine los und streckte sie schlaff auf dem Boden aus. Große, bläulich verfärbte Blutflecken wurden sichtbar, welche das gebleichte Leinen besudelten.
"Herunter damit!" Armand zerrte fest an dem verschmierten Kleidungsstück, keineswegs mehr sanft und zögerlich, sondern eher so, als wolle er ihr das
Weitere Kostenlose Bücher