Süßer Zauber der Sinnlichkeit
erblickte.
"Dominie!" Er fasste ihr Handgelenk und drückte fest zu, damit sie die Klinge losließ. "Ich bin's, Armand! Du bist jetzt in Sicherheit! Beruhige dich!"
Ihr fester Griff um das Heft des Messers lockerte sich, so dass die Waffe vor Armands Füßen zu Boden fiel.
"Armand?" fragte sie, während sie sich zu beruhigen schien.
"Ja, ich bin's!" bestätigte er sanft, wobei er sie eng an sich zog und seine Wange an ihren Scheitel schmiegte. Dann blickte er zurück zu der Stelle, wo Dominies Angreifer zusammengekrümmt am Boden lag. "Hat dieser Kerl dir Gewalt angetan?"
"Er … nein, ich bin … unverletzt …" Sie klammerte sich an ihn, als wolle sie sich in sein Herz verkriechen, und stieß stockend die Worte aus, die Armand fast benommen machten vor Erleichterung. "Er wollte mich ausrauben."
Heftig zitterte sie am ganzen Leib. Auch Armand merkte, dass ihm die Knie weich wurden. Mit Dominie im Arm ließ er sich behutsam zu Boden sinken und streichelte ihr über das Haar und den Rücken.
Ganz in der Nähe lag ihr Umhang. Armand konnte sich nicht entsinnen, ihn fallen gelassen zu haben. Nunmehr griff er nach dem Kleidungsstück und hüllte Dominie darin ein. Sie weinte noch heftiger, in tiefen, stockenden Schluchzern.
Beruhigend und leise redete er auf sie ein. "Still, es ist ja alles gut! Ich bin ja da und passe auf, dass dir nichts mehr geschieht."
Wie aber sollte er das anstellen? Die Frage erfüllte ihn mit neuer Furcht. Welchen Schutz konnte er Dominie bieten, wo er doch gelobt hatte, nie wieder zu kämpfen, nicht einmal zu ihrer Verteidigung? Er war darauf gefasst gewesen, eher das eigene Leben hinzugeben, als jemals einem anderen Menschen das seine zu nehmen. Durfte er aber zulassen, dass jenen, die ihm am Herzen lagen, ein Leid geschah, nur weil seine Hände durch freiwillig angelegte Ketten gefesselt waren?
"Er hä…hätte mich er…erstochen!" stammelte Dominie schluchzend. "Umgebracht hä…hätte er m…mich! Aber ich ha…habe ihn getötet!"
"Schon gut! Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Ich habe schon aus erheblich nichtigeren Gründen gekämpft und Gegner erschlagen, als du es soeben musstest!"
Fahrig und stockend schilderte sie ihm, was sich an dem Morgen zugetragen hatte. Als Armand hörte, dass sie den Spaziergang in seinen Kleidern unternommen hatte, um diese anzuwärmen, wäre er am liebsten vor Scham im Boden versunken. Als er jedoch vernahm, wie sie den Gesetzlosen überrumpelt hatte, wurde ihm trotz der morgendlichen Kühle vor Stolz ganz warm ums Herz. Kein Zweifel: Sie war wahrhaftig ganz die Tochter von Baldwin De Montford!
Während ihres Berichtes hielt er sie eng und fest umschlungen, um ihr zumindest den Schein von Sicherheit zu gewähren. Er liebkoste und streichelte sie zärtlich, tröstete sie, wenn sie weinte, und versicherte ihr, dass niemand ihr für ihr Tun einen Vorwurf machen könne.
"Wer weiß, wie viele unschuldige Menschen dieses Scheusal möglicherweise schon auf dem Gewissen hat? Oder wie viele es wohl noch umgebracht hätte, hättest du ihm heute nicht den Garaus gemacht?"
Dieser Gedanke besänftigte sie offenbar ein wenig. Immerhin wurde sie ruhiger, und auch das Zittern ließ nach.
"Wir sollten hier nicht lange verweilen", mahnte Armand sanft. "Nur für den Fall, dass dieser Bandit Spießgesellen hat, die vielleicht nach ihm suchen!"
"Das glaube ich nicht, er schien allein unterwegs zu sein."
"Gleichwohl!" Nur widerstrebend und zögerlich entließ Armand sie aus seiner Umarmung. "Ich werde nicht rasten und ruhen, bis wir auf Harwood oder Wakeland und hinter dicken Mauern geschützt sind! Kannst du hier warten, während ich das … das Nötige verrichte?"
"Sorge dich nicht um mich!" Dominie straffte die Schultern und holte tief Luft. "Was sein muss, muss sein."
Am Vortag war sie ihm noch so anders erschienen als das Mädchen in seinen Erinnerungen, und zwar anders auf die allerschlimmste Weise. Nunmehr begriff er, dass ihre zur Schau getragene Härte eine Haltung darstellte, welche sie hatte annehmen müssen, als sie sich plötzlich der Verantwortung für zwei große Güter in gefährlichen Zeiten gegenübersah.
Ein Funke von Bewunderung für sie flackerte in seinem Herzen auf, obwohl die Erkenntnis ihn schmerzte, dass all diese Verpflichtungen nur durch sein Verschulden auf ihren zarten Schultern lasteten.
Da die Zeit drängte und sie keine Schaufeln hatten, war Armand sich darüber im Klaren, dass es wohl zwecklos sein würde, den Toten
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