Süßer Zauber der Sinnlichkeit
abzustützen. "Ich weiß, dass mir keine andere Wahl bleibt!"
Armands Abschiedsworte hallten ihr nach. "Die blieb mir ebenfalls nicht."
13. Kapitel
In den folgenden Tagen gingen die Leute von Harwood ihrer Arbeit mit angehaltenem Atem nach, ein Ohr ständig gespitzt, ob nicht plötzlich Alarm ertönte. Doch keiner kam.
Weitere Versprengte aus Cambridge erreichten im Fußmarsch die Burg und meldeten, St. Maurs Mannen hätten sich in die Fenns zurückgezogen, nachdem sie alles, was nicht nietund nagelfest war, geplündert und den Rest in Brand gesteckt hatten. Gerüchten zufolge hatte König Stephen sein Kommen angekündigt, doch niemand setzte viel Vertrauen in dessen Fähigkeit, jene Bestie, welche er auf seine Untertanen losgelassen hatte, wieder in Ketten zu legen.
Auch der nächste Tag verlief ohne Überfall, ebenso wie der übernächste. Die ordentlich durchgetrockneten Heuhaufen wurden auf Karren geladen und zu einer besonderen steinernen Umfriedung transportiert, welche Armand eigens im Wirtschaftshof hatte errichten lassen.
Sein Plan, den Großteil der Ernte auf Harwood einzulagern, war auf nicht unerheblichen Widerspruch gestoßen. Selbst nach achtzig Jahren unter der gerechten Herrschaft der Flambards und De Montfords hatten die angelsächsischen Vasallen ihr Misstrauen gegenüber ihren normannischen Lehnsherren noch immer nicht ganz aufgegeben. Armand hatte seine Gefolgsleute vor eine drastische Wahl gestellt: entweder ihr Heu und Getreide dem Schutze der Burg anzuvertrauen, von wo aus es ihnen in Rationen für jeweils vierzehn Tage zugeteilt werden sollte, oder aber Gefahr zu laufen, die gesamte Feldfrucht an St. Maurs marodierende Halsabschneider zu verlieren. Angesichts dieser Alternativen hatte sich niemand mehr dafür ausgesprochen, die gesamte Ernte auf eigener Heimstatt zu speichern.
Wäre nur die Wahl, vor die er auch Dominie gestellt hatte, ebenso erfolgreich verlaufen!
Weder Gesinde noch Vasallen, ja nicht einmal ihr Bruder, hatten anscheinend bemerkt, wie sie sich nach jener Nacht auf dem Wachturm verändert hatte. Zwar arbeitete sie weiter, unermüdlich wie eh und je, doch das Funkeln war aus ihren Augen gewichen, und ihr Gang hatte an Schwung eingebüßt.
Als das Erntefest näher rückte, bereitete jedermann auf Harwood sich auf die Brotweihe vor und wappnete sich für die bevorstehenden langen Tage der Getreideernte. Armand hielt ein wachsames Auge gen Himmel gerichtet und betete, dass das trockene Wetter noch anhalten möge. Zudem lauschte er aufmerksam auf etwaige Warnsignale, die einen Überfall ankündigten, hing doch so vieles vom Fortbestand des Friedens sowie des guten Wetters ab.
"Armand, hast du's schon gehört?" Gerade prüfte er mit vorsichtiger Zufriedenheit eine Garbe reifen, goldenen Korns, da kam Gavin gerannt. "Mutter ist zum Erntefest von Wakeland eingetroffen!"
"Das ist eine gute Nachricht, Junge!" erwiderte Armand, allerdings mit vorgetäuschter Begeisterung. Lady Blanchefleur hatte kein Hehl daraus gemacht, dass sie Armand gern als Gemahl ihrer Tochter gesehen hätte. Armand malte sich schon ein Erntefest aus, welches gespickt war mit wohlmeinenden Predigten, wie ungeeignet er doch fürs Klosterleben sei und wie sehr er auf Harwood gebraucht werde. Und obendrein unverhohlene Seitenhiebe darauf, wie vorzüglich er doch mit Dominie zusammenarbeite.
"Weißt du denn, wie lange deine Mutter zu bleiben gedenkt?" Hoffentlich, so Armand insgeheim, nur für die Dauer des Festes! Während der eigentlichen Ernte waren Ablenkungen wenig förderlich.
Offenbar hatte Gavin seine Frage nicht mitbekommen, denn der Junge starrte nach Westen, wo eine schmale Landstraße sich durch zwei weite Felder mit reifem Korn wand. "Was geht denn dort hinten wohl vor?"
Armand wirbelte herum und sah einen Reiter, der auf die Burg zugaloppierte. Mit plötzlich verkrampftem Magen lief er los, um dem Neuankömmling entgegenzugehen. "Was gibt's?" rief er Lambert Miller zu, dem drahtigen jungen Mann, der soeben sein völlig schaumbedecktes Ross zügelte. "Überfall?"
"Ich denke nicht, Herr! Zumindest will ich's nicht hoffen! Wir haben einen einzelnen Reiter angehalten, welcher mit Parlamentärwimpel hierher unterwegs war. Er nennt sich Roger of Fordham, und er will mit Lady Dominie verhandeln."
Roger of Fordham? Der Name sagte Armand etwas. Sein Träger war in Armands Alter und hatte einst ein Lehen an der Grenze zur Grafschaft Norfolk besessen. Warum war er allein gekommen, zudem noch als
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