Suesses Gift Der Liebe
wohnen in der nächsten Straße. Mein Sohn arbeitet in einer Druckerei. Miss Bromleys Vater verschaffte ihm vor einigen Jahren den Job.«
»Allmählich dämmert mir etwas, Mr Shute.«
»Meine Enkelkinder gehen zur Schule. Miss Bromley hilft mit dem Schuldgeld aus. Sie sagt, Bildung wäre der einzig sichere Weg, heutzutage voranzukommen.«
»Offenbar eine Dame mit fortschrittlichen Ansichten.«
»So ist es.« Shute wies mit dem Daumen über seine breite
Schulter auf die Tür des Hauses hinter ihm. »Dort wohnen die Tochter meiner Schwester und ihre Familie.«
»Sie haben mich überzeugt, Mr Shute. Meine Besorgnis um Miss Bromley war unbegründet. Hier droht ihr keine Gefahr.«
»Die Leute hier und in den angrenzenden Straßen würden jeden, der Miss Bromley nur ein Haar krümmt, glatt massakrieren und den Leichnam ohne zu zögern in den Fluss werfen.« Shute kniff die Augen eine Spur fester zusammen. »Sie haben wohl einen kleinen Raufhandel hinter sich?«
»Letzte Nacht geriet ich in eine kleine Auseinandersetzung«, erklärte Caleb. Er hatte sein Bestes getan, sein blaues Auge zu verbergen, indem er den Mantelkragen aufgestellt und seine Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen hatte, eine Tarnung, die jedoch nicht sehr überzeugend wirkte.
Shute nickte ungerührt. »Ich nehme an, Sie haben Ihren Gegner erledigt.«
»Könnte man sagen. Er wird im Irrenhaus landen.«
»Nicht das übliche Ende einer Prügelei.«
»Es war auch keine übliche Prügelei.«
Shute sah ihn nachdenklich an. »Kann ich mir denken.«
Die Tür des kleinen Hauses wurde geöffnet, im Eingang erschien Lucinda, eine große schwarze Ledertasche in der unbehandschuhten Hand. Sie stand mit dem Rücken zu Caleb, während sie mit einer Frau in abgetragenem Kleid und Schürze sprach.
»Machen Sie sich nicht die Mühe, ihm Nahrung aufzuzwingen«, sagte Lucinda. »Viel wichtiger ist es, dass er mehrmals in der Stunde ein paar Schlückchen von dem Kräutertee trinkt.«
»Ich werde dafür sorgen«, versprach die Frau.
»Kinder verlieren so rasch Flüssigkeit, wenn sie diese Art Leibschmerzen haben. Aber ich bin sicher, dass Tommy sich in ein, zwei Tagen erholen wird, vorausgesetzt, er trinkt weiterhin den Tee.«
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Miss Bromley.« Die Miene der Frau verriet Erschöpfung und Erleichterung zugleich. »Da ich nicht wusste, was ich tun sollte, rief ich Sie. Der Arzt wäre vermutlich nicht in diese Gegend gekommen.« Sie verzog den Mund. »Sie wissen, wie es ist. Er hätte angenommen, dass wir uns sein Honorar nicht leisten können. Außerdem vermutete ich sofort, dass Tommy etwas nicht bekommen ist, was er aß, und hier in der Gegend wissen alle, dass Sie von diesen Dingen mehr verstehen als jeder Arzt.«
»Tommy kommt wieder in Ordnung. Ganz sicher. Geben Sie ihm nur den Tee.«
»Das werde ich, Miss Bromley. Keine Sorge.« Die Frau beugte sich vor und winkte Shute zu. »Guten Morgen, Onkel Jed. Bestell Tante Bess liebe Grüße.«
Shute stieß sich vom Geländer ab. »Wird gemacht, Sally.«
Erst als Lucinda sich im Eingang umdrehte, erblickte sie Caleb.
»Was machen Sie denn hier, Mr Jones?«
»Ich war um acht Uhr bei Ihnen, um Ihnen vom Fortschritt meiner Ermittlungen zu berichten und ein paar Fragen zu stellen«, sagte er. »Sie waren nicht zu Hause.«
»Guter Gott.« Sie starrte ihn verblüfft an. »Sie kamen um acht Uhr morgens? Das ist doch keine Zeit für Geschäftliches.«
»Für Sie offenbar schon.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf das Haus, das sie eben verlassen hatte.
»Mein Anliegen hier ist ganz anderer Natur.«
Er nahm ihr die Tasche ab, die erstaunlich schwer war. »Als ich entdeckte, dass Sie nicht zu Hause waren, entschloss ich mich, Ihre Spur aufzunehmen. Sie wissen doch, dass Sie auf einem täglichen Bericht bestanden?«
»Ich erinnere mich nicht, das Wort täglich verwendet zu haben«, sagte sie. »Ich glaube, ich sagte oft und regelmäßi g.«
» Ich interpretierte oft und regelmäßig als täglich.«
Sie sah ihn unter der Krempe ihres mit Bändern geschmückten Hütchens hervor an. »Sagen Sie ja nicht, Sie wollen mich täglich um acht Uhr morgens aufsuchen. Das wäre unverschämt.« Plötzlich verstummte sie und riss die Augen hinter ihren Brillengläsern auf. »Was ist Ihnen denn zugestoßen, Mr Jones? Hatten Sie einen Unfall?«
»So ähnlich.«
Er half ihr in den leichten Wagen und stieg vorsichtig hinter ihr ein. Dennoch jagte die Bewegung neuen Schmerz durch
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