Suesses Gift Der Liebe
den Beinen ist, geht er zur Schule«, versprach Gilbert. »Keine Sorge, Miss Bromley.«
Lucinda beugte sich lachend über Harry und zauste sein Haar. »Das höre ich aber gern.« Sie richtete sich auf, nahm ihre Tasche und ging zur Tür. »Allen eine gute Nacht, wenn es auch fast schon nach Morgen aussieht.«
Gilbert öffnete ihr die Tür. »Danke, Ma’am. Ich vergelte Ihnen Ihre Güte auf die übliche Weise. Wenn es bei Ihnen für einen Schreiner etwas zu tun gibt, lassen Sie es mich wissen.«
»Ich weiß. Danke, Mr Ross.«
Sie trat hinaus und entdeckte, dass der Nebel viel dichter geworden war, während sie sich um Harry Ross gekümmert hatte. Ihre elegante Kutsche war undeutlich im Nebel zu erkennen.
Ihre Sinne regten sich, als sie auf den Wagen zuging. Die feuchte Kälte der Morgenluft war ihr intensiv bewusst. Ich hätte mir die Zeit nehmen und meinen Mantel holen sollen, ehe ich mich von Caleb so eilig vom Ball wegführen ließ. Was dachte ich mir eigentlich dabei? Die Antwort darauf kannte sie sehr wohl. Sie hatte nur an das Hochgefühl des Liebesaktes und die sonderbare psychische Verbindung mit Caleb gedacht.
Wieder schossen ihr Erinnerungen an die heißblütige Begegnung durch den Kopf, ohne sie zu wärmen. Im Gegenteil, ihr war unnatürlich kalt.
Die in einen schweren Kutschermantel gehüllte Gestalt bei der Kutsche richtete sich auf und ging rasch zum Wagen. Der Mann sagte kein Wort, als er den Wagenschlag öffnete und die Stufen herunterklappte.
Shute begrüßte sie immer. Er hatte auch immer ein paar Worte für jene übrig, denen ihr Besuch gegolten hatte. Nun
aber hob er nicht einmal die Hand, um Gilbert Ross zu grüßen, der im Eingang stand und ihr nachblickte.
Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, wurde intensiver.
Sie hörte, wie die Haustür hinter ihr geschlossen wurde. Gilbert war es offenbar zufrieden, sie bei Shute in sicheren Händen zu sehen. Ein panikähnliches Gefühl verkrampfte ihren Magen.
Sie hatte sich auf die tröstliche Wärme der Wagendecke gefreut, doch aus einem unerklärlichen Grund blieb sie keine zwei Yards vor dem Gefährt stehen. Mit Shute stimmte etwas nicht. Der Mantel spannte um die Schultern und war etwas zu kurz. Auch der Hut saß nicht wie immer. Shute setzte ihn in einem ganz bestimmten Winkel auf.
Wer immer das war, Shute war es nicht.
Sie wollte sich umdrehen und die Stufen zum Haus der Ross hinauflaufen, um an die Tür zu schlagen.
»Nein, das lassen wir sein«, brummte der falsche Shute.
Eine kräftige behandschuhte Hand schlug auf ihren Mund, sie wurde an eine muskulöse Brust gedrückt.
Sie wehrte sich verzweifelt und wollte gegen die Beine ihres Entführers treten, doch ihr Fuß verfing sich in ihren Röcken und Unterröcken.
»Keine Gegenwehr, du dummes Luder, sonst schlage ich dich bewusstlos«, drohte der Schurke in gedämpftem Ton und zerrte sie zum Wagen. »Verdammt noch mal, hilf mir, Sharpy«, sagte er zu jemandem. »Die verdammten Röcke sind im Weg. Dauernd trete ich darauf.«
»Ich packe die Füße«, sagte der zweite Mann. »Mach die Pferde nicht scheu. Das hätte uns noch gefehlt, dass sie durchgehen.«
Nun merkte sie, dass sie noch immer ihre Tasche in der linken Hand hielt. Verzweifelt mühte sie sich ab, sie zu öffnen. Keiner der Männer schenkte ihr Beachtung. Ihre Gegenwehr hatte aufgehört, allein das zählte für sie. Der zweite Mann hielt nun ihre Füße fest und hob sie vom Boden. Sie schaffte es, einen der zwei Riemen an der Tasche zu lösen.
»Rasch.« Der Mann, der Shutes Mantel trug, hielt die Tür auf. »Leg sie hinein und kneble sie, ehe es jemandem einfällt, aus dem verdammten Fenster zu schauen.«
Der zweite Halunke, der Sharpy hieß, mühte sich ab, sie durch die Tür des kleinen Gefährts zu schieben. Ihr glückte es, den zweiten Riemen zu lösen.
Sie griff in die Tasche und tastete blind nach dem gesuchten Päckchen, wobei sie darum betete, das richtige zu erwischen.
»Ihre gottverfluchte Röcke sind in der Tür eingeklemmt«, zischte der andere.
»Egal, ich werde mit ihr schon fertig, Perrett. Rauf auf den Kutschbock, und nichts wie los.«
Jetzt hielt sie das Päckchen in der Hand. Sie riss es auf, hielt den Atem an und die Augen geschlossen.
Dann schleuderte sie eine Hand voll des Inhalts gegen den Mann, der ihre Füße hielt.
Der überrumpelte Sharpy heulte auf, als die höchst wirksame Pulvermischung aus getrockneten, fein gemahlenen Pfefferkörnern seine Augen, Nase und Mund trafen. Er ließ
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