Suesses Gift Der Liebe
ihre Füße fallen und schrie. Dem Schrei folgte heftiges Keuchen und Husten.
»Was zum …?«, rief Perrett verwirrt und ungeduldig.
Mit noch immer geschlossenen Augen und vor Atemnot
brennenden Lungen schleuderte sie in die ungefähre Richtung von Perretts Gesicht Pulver hinter sich.
Er schrie auf und ließ sie los. Nicht imstande, rechtzeitig die Füße anzuziehen, fiel sie schmerzhaft auf eine Schulter und Hüfte. Ihre Röcke dämpften den Sturz zwar ein wenig, dennoch durchschoss der Schmerz sie. Instinktiv atmete sie durch und bekam etwas von dem feinen Pulver ab. Ihre Kehle brannte. Sie rollte sich unter den Wagen, suchte reine Luft und öffnete vorsichtig die Augen.
Sie tränten nicht, doch konnte sie alles nur verschwommen sehen, da sie in dem Handgemenge ihre Brille verloren hatte.
»Diese Hexe hat mich geblendet«, schrie einer der Männer. »Ich kriege keine Luft. Keine Luft! «
Sein Komplize heulte nur.
Da hörte sie eine andere Stimme in der Dunkelheit. Gilbert Ross.
»Da draußen sind Räuber!«, rief er. »Miss Bromley wird entführt.«
Türen wurden geöffnet. Männer in Nachthemden und Schlafmützen zeigten sich. Beim Anblick des vertrauten Wagens stürzten alle ins Freie.
Die potentiellen Räuber schienen nun zu begreifen, dass ihnen von den aufgebrachten Bewohnern der Guppy Lane tödliche Gefahr drohte. Sie torkelten davon und rannten zur Ecke.
Einige Männer nahmen die Verfolgung auf, gaben aber rasch auf, als ihnen klar wurde, dass ihre bloßen Füße es mit den groben Pflastersteinen nicht aufnehmen konnten.
»Miss Bromley«, rief Alice Ross.
Sie raffte ihre Röcke hoch und lief die Stufen hinunter, auf Lucinda zu.
Lucinda setzte sich unter Schmerzen und dank ihrer schweren Röcke ziemlich ungeschickt auf. Ballkleider sind für derart energiegeladene Aktivitäten nicht geschaffen. Nach der Liebesepisode und der versuchten Entführung wäre das schöne kobaltblaue Kleid nie wieder so wie vorher.
»Miss Bromley, alles in Ordnung?«, fragte Alice ängstlich.
»Ja, ich denke schon.« Rasch schätzte sie ihren Zustand ab. Ihr Puls raste, ihre Kehle war wie zugeschnürt und brannte von der geringen Menge Pfefferpulver, die sie eingeatmet hatte. Außerdem hatte sie sich bei ihrer unsanften Landung auf dem Pflaster wehgetan. Aber keines dieser Probleme war tragisch, beruhigte sie sich.
Alice streckte ihr beide Hände entgegnen. »Kommen Sie, lassen Sie sich helfen.«
»Danke.« Erst als sie auf die Beine gekommen war, merkte sie, dass sie zitterte. Dennoch zwang sie sich zur Konzentration auf das vorliegende Problem. »Wo ist Shute? Ich fürchte, diese zwei schrecklichen Männer haben ihm etwas Böses angetan. Einer der Räuber stahl seinen Mantel. Womöglich töteten sie ihn.«
Donnernder Hufschlag und Räderrollen eines rasch fahrenden Wagens unterbrachen sie. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und versuchte, die verschwommene Szene zu erfassen.
Eine Droschke tauchte aus dem Nebel auf und blieb stehen. Eine Gestalt sprang heraus. Ohne Brille konnte sie das Gesicht nicht ausmachen, doch sie erkannte ihn mit allen ihren Sinnen.
»Caleb«, flüsterte sie.
Er schritt rasch durch die treibenden Nebelschwaden des frühen Morgens auf sie zu. Der lange Mantel umwallte ihn wie eine dunkle Aura. Er schien die Menschenansammlung auf der Straße nicht wahrzunehmen. Wie von Zauberhand berührt gaben die Menschen ihm den Weg frei.
Bei Lucinda angekommen, umfasste er ihre Schultern ganz fest und zog sie eng an sich.
»Bist du in Ordnung?«, fragte er rau.
Beinahe hätte sie aufgeschrien, als seine Finger sich in ihre verletzte Schulter gruben. »Ja. Bitte … meine Schulter.«
»Verdammt.« Er ließ sie sofort los. »Du bist verletzt.«
»Nur eine kleine Prellung. Was machst du hier?«
»Was ist passiert?«, wollte er wissen, ohne auf ihre Frage einzugehen.
Nun erst kam sie dazu, hinter dem Überfall einen Sinn zu suchen. Sie runzelte die Stirn und versuchte, sich zu konzentrieren. »Ich glaube, diese zwei Männer wollten mich entführen … mich rauben.«
»Sicher wollten die Kerle sie an ein Bordell verkaufen«, erklärte Alices unmittelbare Nachbarin im Grabeston. »Das liest man immer wieder in der Zeitung.«
»Ach, das glaube ich eigentlich nicht«, widersprach Lucinda.
»Mrs Badget hat recht«, verkündete eine andere Frau. »Erst gestern stand im Flying Intelligencer , man hätte ehrbare Damen entführt und geschändet, so dass sie keine andere Wahl hatten als
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