Suesses Gift Der Liebe
durchbrochen, das sich auf der Rückfahrt vom Ball auf sie gesenkt hatte. Sie konnte kaum glauben, dass sie sich Caleb Jones in einem Akt höchst erstaunlicher Leidenschaft hingegeben hatte. Zumal in einem Trockenschuppen. Sie hatte viele Sensationsromane gelesen, konnte sich aber an keine Szene erinnern, in der Held und Heldin eine Lokalität dieser Art für ihr verbotenes Stelldichein benutzt hätten.
Verbotenes Stelldichein . Sie hatte eines gehabt. Ihr schwindelte ein wenig bei dem Gedanken.
Sie wusste aber, dass es nicht die körperliche Begegnung zwischen getrockneten Kräutern und Blumen war, so erregend und aufregend sie auch gewesen sein mochte, die ihren Sinnen dermaßen zugesetzt hatte. Ihr Körper hatte sich vom köstlichen Schock der ersten sexuellen Erfahrung erholt, doch sie fühlte sich noch immer desorientiert und merkwürdig benommen. Ihre Sinne summten vor Anspannung - und zwar in viel zu hohen Tönen. Ihr war, als wären einige Strömungen aus dem Sturm psychischer Energie, die
sie und Caleb entfesselt hatten, noch immer in ihr wirksam. Intuitiv spürte sie, dass sie sich nicht verflüchtigen würden, ja, dass sie sie sogar irgendwie an Caleb binden würden. Sie fragte sich, ob er jetzt denselben merkwürdigen Widerhall ihrer Verbindung spürte.
Shute hielt den Wagen vor einem kleinen Haus an. Es war das einzige an der Straße, in dem ein Fenster erhellt war. Alle anderen Häuser waren dunkel, die Bewohner längst im Bett. In ein, zwei Stunden, wenn die feinen Herrschaften sich nach Verlassen der Partys und Klubs auf den Heimweg begaben, mussten die Menschen in diesem Teil der Stadt aus den Federn. Nach einem einfachen Frühstück würden sie sich sodann auf den Weg zu den Läden, Fabriken und großen, vornehmen Haushalten machen, in denen sie arbeiteten. Diejenigen, die Glück hatten, dachte Lucinda. Arbeit, von der man seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, war rar.
Shute öffnete den Wagenschlag. »Ich warte hier wie immer mit dem Pferd, Miss Bromley.«
»Danke.« Sie nahm die Tasche und sah ihn mit mattem Lächeln an. »Das sieht nach einer schlaflosen Nacht für uns beide aus.«
»Es wäre nicht das erste Mal, oder?«
Die Tür des kleinen Hauses flog auf. Alice Ross stand in Nachthaube und verblichenem Umschlagtuch angstvoll im Eingang.
»Gott sei Dank, Sie sind es, Miss Bromley«, sagte sie. »Es tut mir ja so leid, dass ich Sie um diese Zeit holen ließ, aber solche Angst hatte ich nicht mehr, seit Annie an Weihnachten erkrankte.«
»Machen Sie sich keine Sorgen wegen der späten Stunde,
Mrs Ross. Leider war ich außer Haus, als Ihre Nachricht kam, deshalb die Verspätung.«
»Ja, Ma’am, das sehe ich.« Alice bedachte das kobaltblaue Kleid mit einem scheuen bewundernden Blick. »Sie sehen wunderschön aus, Ma’am.«
»Danke«, sagte Lucinda zerstreut. Sie trat an Alice vorüber ein und ging auf die kleine Gestalt im Kinderbettchen vor dem Feuer zu. »Na, Harry, wie fühlst du dich?«
Der Kleine sah mit fieberglühendem Gesichtchen zu ihr auf. »War schon besser dran, Miss Bromley.«
Sein Atem kam röchelnd und mühsam, so wie sie es bei Kindern bereits oft erlebt hatte.
»Das wird schon wieder«, sagte sie. Sie stellte die Tasche auf den Kamin, öffnete sie und entnahm ihr ein Päckchen. »Also, Mrs Ross, wenn Sie mir kochendes Wasser bringen, wird Harry bald leichter atmen.«
Harry sah blinzelnd zu ihr auf. »Sie sehen aber hübsch aus, Miss Bromley.«
»Danke, Harry.«
»Was ist mit Ihrem Haar los?«
Nachdem Caleb sich seines Jacketts, seiner Weste und Krawatte entledigt hatte, hielt er inne und blickte zu dem großen Bett mit den vier Pfosten. Nach der Liebe fühlte er sich aufgeräumter und entspannter als seit Monaten, so dass er sich vorgenommen hatte, dieses seltene Gefühl zu nutzen und in dem Schlafzimmer, in dem er nur selten schlief, sofort zu Bett zu gehen.
Jetzt zögerte er. Er wollte und brauchte Schlaf, doch die Nachwirkungen der körperlichen Erleichterung und das damit
verbundene ungewohnte psychische Hochgefühl ließen bereits nach.
Noch eine Empfindung meldete sich heimlich, um ihm die allzu kurze Erholung vom allgegenwärtigen Gefühl der Dringlichkeit zu rauben, das ihn neuerdings fest im Griff hatte. Es war noch schwach und unterschied sich stark von seinen üblichen nächtlichen Anfällen von Schwermut, doch er wusste, dass er keinen Schlaf finden würde, wenn er jetzt zu Bett ginge.
Er verließ das Schlafzimmer und ging den Gang
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