Suesses Gift Der Liebe
schnappte nach Luft und verschluckte sich prompt an einem Schluck Kaffee. Sie griff nach ihrer Serviette und hielt sie vor den Mund, während sie um Atem rang.
Patricia, die ihr gegenübersaß, runzelte besorgt die Stirn. »Alles in Ordnung, Lucy?«
Edmund Fletcher legte seine Gabel weg, schob seinen Stuhl zurück und ging rasch um den Tisch. Er schlug Lucinda energisch zwischen die Schulterblätter.
»Danke.« Sie schwenkte die Serviette und scheuchte ihn zurück zu seinem Stuhl. »Mir geht es wieder gut, Mr Fletcher«, stieß sie hervor. »Wirklich.«
Patricia zog die Brauen hoch. »Steht etwas Beunruhigendes in der Morgenzeitung?«
»Ich bin ruiniert«, sagte Lucinda. »Zum zweiten Mal, denke ich, obwohl ich zugebe, dass ich den Überblick allmählich verliere.«
»So schlimm kann es nicht sein«, bohrte Patricia weiter. »Was immer es ist, du musst es uns vorlesen.«
»Ja, warum auch nicht?«, erwiderte Lucinda. »Zweifellos liest es ganz London in eben diesem Moment vor.«
Sie begann laut vorzulesen. Patricia und Edmund hörten wie erstarrt zu.
Entführungsversuch in der Guppy Lane
Von
Gilbert Otford
Eine Dame, deren Name einst im Zusammenhang mit einem Giftmord vielfach genannt wurde, entging Anfang der Woche in der Guppy Lane nur knapp einem schändlichen Schicksal.
Miss Lucinda Bromley, Tochter des berüchtigten Giftmischers Arthur Bromley und Verdächtige im Todesfall ihres Verlobten, wurde von zwei Schurken beinahe entführt, die es darauf anlegen, ehrbare Frauen einem Leben in Schande zuzuführen. Augenzeugen berichten, dass nur das beherzte Eingreifen einiger Passanten Miss Bromley vor einem Los, schlimmer als der Tod, bewahrte.
Anstand und tiefe Rücksichtnahme auf die Empfindsamkeit unserer Leser verbieten es dem Korrespondenten, sich über Einzelheiten der finsteren Zukunft zu verbreiten, die Miss Bromley erwartet hätte, wenn den Entführern Erfolg beschieden gewesen wäre. Es sei nur gesagt, dass die Dame zweifellos in einem jener abscheulichen Etablissements gelandet wäre, die der Befriedigung schändlicher Begierden der verderbtesten und zügellosesten Vertreter der Männerwelt dienen.
Bleibt die Frage, ob die Wahl der Entführer auf ein anderes Opfer gefallen wäre, hätten sie die Identität der Dame gekannt, die ihnen in die Hände fiel. Schließlich stellt eine Dame, deren Verlobter nach dem Genuss einer von ihr angebotenen
Tasse Tee den Gifttod starb, für ihren künftigen Arbeitgeber, ganz zu schweigen für die Besucher des Etablissements, ein gewisses Risiko dar.
»Da bin ich anderer Meinung«, ließ sich Caleb von der Tür her vernehmen. »Eine interessante Vergangenheit verleiht der ganzen Sache erst die gewisse Würze.«
Erschrocken schlug Lucinda mit der Zeitung auf den Tisch und sah ihn unwillig an. Betretenes Schweigen senkte sich über das Frühstückszimmer. Calebs Miene ließ erkennen, dass er der Meinung war, die Morgennachrichten völlig vernünftig kommentiert zu haben. In seinen Augen aber lag ein gewisser Schimmer. Ein höchst unpassender Moment, um das zu zeigen, was man nur als sonderbaren Sinn für Humor bezeichnen kann, dachte Lucinda.
»Guten Morgen, Mr Jones«, sagte sie schroff. »Ich hörte Sie nicht anklopfen.«
»Verzeihen Sie meine Verspätung. Ein Hausmädchen sah mich eben kommen und öffnete mir freundlicherweise.« Er ging ans Sideboard und begutachtete die angebotenen Speisen. »Ach, die Eier sehen heute aber köstlich aus.«
»Sie sind es auch«, sagte Edmund rasch. »Sie müssen unbedingt Mrs Shutes Stachelbeermarmelade probieren.«
»Danke für den Hinweis.«
Caleb griff nach einem großen Servierlöffel und häufte Rührei auf einen Teller.
»Kaffee?«, fragte Patricia und griff nach der Kanne.
»Ja, danke, den habe ich nötig.« Er setzte sich an den Kopf der Tafel. »Ich verbrachte die Nacht fast ausschließlich mit Studien in meiner Bibliothek.«
Lucinda tippte mit dem Finger auf die vernichtende Schlagzeile. »Ich nehme an, Sie haben Gilbert Otfords empörenden Artikel gelesen?«
»Ich lasse mir keine Ausgabe des Flying Intelligencer entgehen«, versicherte Caleb ihr. »Die beste Quelle für Klatsch in der Stadt. Würden Sie mir die Butter reichen?«
»Einfach empörend«, schäumte Lucinda. »Ich hätte gute Lust, in die Redaktion zu gehen und Otford gehörig meine Meinung zu sagen.«
»Na, es hätte noch schlimmer ausfallen können«, warf Patricia ein.
Lucinda kniff die Augen zusammen. »Ich wüsste nicht wie.«
Wieder
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