Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
genommen. Deine Tochter weiß, was zu tun ist. Wir warten gemeinsam auf ihre Rückkehr.«
Ob tot oder wieder auferstanden – Sabina schien nicht aus dem Reich der Lebenden zu sprechen. Ludwig fügte sich.
Auf ihrem Weg zur Bergstraße begegnete Anna Lucretia dem Bürgermeister Urban Kreidenweis. Er fragte sie freundlich aber besorgt nach dem Befinden ihrer Tante. Der Herzogin ginge es immer noch schlecht, beschied sie ihn, das Fräulein von Weichs sei noch unpässlich und auch ihr Vater sei schwer erkrankt. Sie sei auf dem Weg zu Doktor Ulmitzer, um ihn zu bitten, sofort nach dem Herzog zu sehen.
An der Theklakapelle ging sie, wie kurz zuvor der flüchtende Baumeister, über den kleinen Friedhof zur Hinterseite von Kärgls Haus und klopfte an die Küchentür. Keine Antwort. Sie pochte wieder gegen die Tür, diesmal lauter. Erst nach einem dritten dringlichen Klopfen zeigte sich Theresa, sah sich furchtsam um und zog die Tochter des Herzogs wortlos ins Haus, als sie niemanden erspähte. Anna Lucretia bemerkte, dass ihre Kleidung völlig zerknittert war, mit rotbraunen Flecken an den Ärmeln. Theresas Stirn lag in Furchen, sie presste verbittert die Lippen zusammen. Sie packte die Schultern der Kärglerin und schüttelte sie.
»Er ist da, nicht wahr? Antwortet mir, Theresa!«
»Alles ist verloren. Was wollt Ihr von ihm?« Ihre Stimme war tonlos.
»So ein Unsinn, Theresa! Noch können wir gewinnen. Wir müssen nur schnell handeln.«
»Er ist in unserem Schlafzimmer, im Bett.«
»Im Bett? Wo ist Kärgl? Er muss noch hier gewesen sein, als der Baumeister kam.«
»Kärgl ist in der Nacht von Ecks Männern auf die Trausnitz gebracht worden. Sie haben ihn geschlagen und gesagt, sie bringen ihn um, wenn ich aus dem Haus gehe oder mit jemandem rede.«
»Wisst Ihr, was Eck ihm versprochen hat für diese ruchlose Tat?«
»Er soll nach Hessen zum Landgrafen reiten mit einem Brief vom Hofrat. Er soll erst später wiederkommen, wenn sich alles beruhigt hat.«
Anna Lucretia lief zum Schlafzimmer und öffnete die Bettgardinen. Dort lag Überreiter, aschgrau im Gesicht, zähneklappernd, weinend. Sein Körper bebte. Als er die Tochter des Herzogs erblickte, zog er die Decke über seinen Kopf. Theresa legte sich neben ihn und streichelte zärtlich seine Haare.
»Niklas, es ist vorbei. Siehst du, es war kein guter Einfall, hierher zu kommen. Bitte das Fräulein um Verzeihung! Das ist alles, was du noch tun kannst.«
Anna Lucretia setzte sich an die andere Seite des Bettes und zog vorsichtig die Decke von Überreiters Gesicht. Mit ihrem Vater hatte sie getobt; bei diesem verzweifelten, weinenden Riesen war sie sanft.
»Ihr müsst mich um nichts bitten, Meister Niklas. Ich bitte Euch um Verzeihung. Ich musste Euch belügen. Das bedauere ich tief, obwohl ich nicht anders konnte. Ich habe es zu lang getan, das hat uns alle in Ecks Hände gebracht. Verzeiht mir, dass ich Euch nicht die Wahrheit gesagt habe, als Theresa sie schon kannte.«
Der Riese weinte so heftig, dass das Bett erbebte.
»Großer Gott, gütiger Gott! Verzeiht mir, Fräulein! Ich verzeihe Euch auch, doch was ändert das noch? Ich bin ein toter Mann und verdammt für die Ewigkeit.«
»Nein, Meister Niklas, Ihr könnt Euch noch retten. Ihr müsst nur unseren Peiniger aufdecken. Eure Reue soll nicht umsonst sein. Deswegen bin ich gekommen.«
Er grub sein nasses Gesicht in Theresas Busen.
»Geht weg! Ihr spielt wieder mit mir. Alle spielen mit mir, nur du nicht, Theresa. Ich war so blind. Du musst mir verzeihen. Du bist die beste Frau, der ich im Leben begegnet bin, und es reichte mir nicht. Vergib mir!«
Der Kärglerin war auf einmal nicht mehr nach Mitleid. Sie packte seine Haare und zog seinen Kopf von ihrer Brust.
»Hörst du zu, du dumpfer Esel? Das gnädige Fräulein sagt dir, du kannst dich noch retten. Das würde sie vor mir nicht sagen, wenn es nicht stimmte, glaub mir. Also, Fräulein, redet! Er kann sich noch so zieren, er wird tun, was Ihr sagt.«
Anna Lucretia legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Sie meinte, einen kapitalen Keiler zu berühren. Er roch auch danach, stellte sie erstaunt fest. Doch wenn er Theresa gefiel, sollte es ihr recht sein.
»Ihr werdet mit Eck spielen, Baumeister.«
»Eck?« Er quiekte wie aufgespießt. »Niemals! Der befiehlt seinen Männern, mich zu töten, wenn er hört, der Herzog lebt noch.«
»Ganz und gar nicht. Ihr sagt ihm, Ihr hättet es getan. Widmannstetter und mein Vater seien tot. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher