Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
verlangt, was er Euch versprochen hat. Den Brief für den hessischen Landgrafen. Mit seiner Unterschrift und seinem Siegel. Hört Ihr? Ihr bringt ihn zu mir. Das ist alles. Fürchtet Euch nicht! Vor der Stadtresidenz wird Weißenfelder das Ableben Herzog Ludwigs verkünden.«
»Woher wisst Ihr, was Eck mir versprochen hat?«
»Der Brief für den Landgrafen? Von Theresa. Außerdem hat er Euch in Aussicht gestellt, dass ich Euch heirate. Ob ich will oder nicht. Vielleicht auch einen hohen Posten am Münchner Hof, damit Ihr zeigen könnt, dass Ihr besser seid als alle Italiener. Habe ich recht?«
»Woher wisst Ihr das?«
»Ich bin der einzige politische Kopf in der Familie.« Anna Lucretia lachte. »Außer meiner Tante Sabina und meiner Großmutter, der verstorbenen Herzogin. So, Baumeister, seid Ihr bereit?«
Überreiter sprang aus dem Bett, dass es krachte. Er bot einen erbärmlichen Anblick: zerzaust, zerkratzt, zerstochen, mit Blutspuren im Gesicht und auf der Kleidung.
»Das sieht ganz wunderbar aus«, jubilierte Theresa. »Der Hofrat wird dir jedes Wort glauben. Raus jetzt! Du gehst wieder hinten über den Friedhof. Niemand darf dich sehen, bis du die Burg erreichst. Ihr, Fräulein, geht in die andere Richtung, nicht wahr?«
»Gut geraten, Theresa. Ich gebe Weißenfelder die nötigen Instruktionen.«
31
Überreiter betrat das Zimmer der Verschwiegenheit nun schon zum zweiten Mal an diesem Morgen. Eck sah müde aus, fand der Baumeister, was er nicht für möglich gehalten hätte. Das verlieh ihm ein wenig Selbstsicherheit.
»Es ist vollbracht«, sagte er leise. »Widmannstetter und der Herzog. Mit den Weibern war nichts zu machen. Die Herzogin war wohl noch in der Residenz auf ihrem Krankenlager. Bis dort konnte ich nicht vordringen. Habt Ihr meinen Geleitbrief für den Landgrafen von Hessen? Ich muss zusehen, dass ich hier schnell verschwinde.«
»Gemach, guter Baumeister, so eilig ist es nicht. Erzählt mir genau, was geschehen ist.«
Dreimal musste Überreiter schildern, wie er erst den Gelehrten und dann den Herzog mit Widmannstetters Dolch getötet hatte. Eck war misstrauisch, doch konnte er in den Schilderungen keinen Fehler entdecken. Außerdem war immer noch sichtbar, dass der Hüne in einen heftigen Kampf verstrickt gewesen war. Schließlich wurde es Überreiter zu viel.
»Her mit dem Brief jetzt, Hofrat!«
Eck wunderte sich, dass der bisher so leicht zu manipulierende Baumeister nun so zielstrebig war. Doch die Not, so sagte er sich, ist immer der beste Lehrmeister. Er nahm einen Bogen aus seinem Schreibpult, öffnete das Tintenfass, spitzte langsam und sorgfältig einen Gänsekiel und schrieb dann. Endlich trocknete er die Tinte. Schließlich übergab er Überreiter zögernd den Brief an Philipp. Dieser las ihn und staunte insgeheim über die Dreistigkeit des Schreibens. Eck gratulierte darin dem protestantischen Landgrafen von Hessen zum Tod des Störenfrieds Herzog Ludwig X. von Bayern. Den Überbringer dieses Schriftstücks bezeichnete er als unverzichtbaren, verdienten Helfer der gemeinsamen Sache und bat, ihn so lang wie nötig bei sich zu behalten und großzügig zu versorgen.
»Zufrieden?«
»Ihr habt Eure Unterschrift vergessen und das Siegel.«
Eck nahm das Stück Papier wieder an sich und unterschrieb den Brief. Er faltete ihn langsam zusammen, schrieb auf die eine Seite den Namen des Landgrafen, ließ Siegellack auf die andere tropfen und drückte endlich seinen Ring hinein. Er machte keine Anstalten, Überreiter das Schriftstück zurückzugeben.
»Ich werde Euch ein Pferd und Geld mitgeben. Doch das dauert noch ein wenig. Solang könnt Ihr hierbleiben.«
»In diesem Raum? Niemals. Ich muss Landshut so schnell wie möglich verlassen. Vielleicht hat mich jemand erkannt.« Überreiter griff mit einer raschen Bewegung nach Ecks Brief und hielt ihn in der Hand, bevor der Hofrat protestieren konnte. »Das ist die Versicherung, dass ich am Leben bleibe, Doktor. Wenn das Pferd bereitsteht und das Geld, findet Ihr mich im Weinkeller. Glaubt nicht, dass mir etwas zustoßen kann. Ich bin auch mit Ludwig fertig geworden.«
In diesem Moment öffnete sich hinter Eck eine Tür. Ein Bewaffneter kam herein und flüsterte dem Hofrat etwas ins Ohr. Überreiter legte unauffällig die Hand auf seinen Dolch. Diese Geste entging Eck jedoch nicht.
»In der Stadt ist gerade der Tod des Herzogs bekannt gegeben worden. Geht in Euren Weinkeller! In einer halben Stunde habt Ihr Euer Pferd und könnt
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