Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
Vom Netzwerk:
aufbrechen.«
    Als Überreiter den Raum verlassen hatte, wunderte sich der Bewaffnete.
    »Ich hätt ihn gleich hier abstechen können.«
    »Nein«, meinte Eck. »Es darf keine Verbindung zu mir geben. Nehmt drei Männer und folgt ihm in den Weinkeller. Das ist der richtige Ort für seinen Tod. Vergesst nicht meinen Brief!«
    Doch als die vier Soldaten einige Minuten später Überreiter dort suchten, war er nicht mehr zu finden.

32

    In Ursulas Haus hielt Anna Lucretia eine ganze Weile Ecks Brief, den unwiderlegbaren Beweis seines Hochverrats, sprachlos in den Händen. Die Bedrohung ihres Vaters, ihres Verlobten, ihrer eigenen Zukunft war vorüber. Sie wusste nicht, ob sie sich freute. Die Ängste, die Anspannung, die Schuldgefühle und Zweifel der letzten Wochen hielten sie noch so fest umklammert, dass die Erlösung ihr ferner schien denn je. Sie erschrak zutiefst darüber. Gab es keinen Weg zurück zu dem, was ihr Leben vor dieser Höllenfahrt ausgemacht hatte? Ursula, überrascht von ihrem Zögern, umarmte sie zärtlich.
    »Bringt diesen Brief zu Eurem Vater und zu Hofrat Wei-ßenfelder! Er verbrennt Euch sonst noch die Finger.«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf.
    »Erst zu Johann Albrecht, ich kann nicht anders.«
    Widmannstetter war sofort voller Sorge, als er ihr versteinertes Gesicht erblickte.
    »Was bedrückt dich, Liebste? Du hältst den Beweis in Händen. Ist es nicht das, was wir uns gewünscht haben?«
    »Doch, alles ist da.«
    Ihr Verlobter verstand die Welt nicht mehr.
    »Dann sind die Rätsel gelöst, meine Lucretia. Dein Vater ist gerettet und wir sind frei.«
    Sie fing an, bitterlich zu weinen.
    »Frei? Wovon denn? Ich habe das Gefühl, nie wieder frei zu sein. Es war zu viel. Es ist zu viel geschehen. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Kannst du mich noch lieben?«
    Langsam und zärtlich streichelte Widmannstetter ihre braunen Locken, den verzerrten Mund, die schluchzende Brust und küsste die Tränen von ihren blassen Wangen.
    »Natürlich liebe ich dich noch, mehr denn je. Du bist eine andere geworden, die ich sogar noch mehr liebe als die alte Anna Lucretia.«
    »Du kennst mich ja gar nicht. Ich war verlogen, hinterlistig, wild und unberechenbar. Werde ich so bleiben? Kann ich nicht mehr zurück?«
    »Und auch wenn? Willst du das überhaupt, meine geliebte Frau? Du hast uns alle errettet, also kann es so falsch nicht gewesen sein.«
    »In diesen schrecklichen Zeiten gewiss nicht. Aber in unserer Ehe? Als Mutter? Ich will wissen, was richtig ist. Ich will nicht mehr so zerrissen sein. Muss man immer so zerrissen leben? Ich könnte diesen Zwiespalt nicht ertragen und auch du nicht.«
    »Das kann ich sehr wohl. Hast du das nicht verstanden in den letzten Wochen? Doch du wirst nicht zerrissen sein, weil du weißt, dass ich dich liebe – genauso, wie du bist. Was du aber jetzt noch brauchst vor unserer Hochzeit, ist ein neues Pomander. Das alte tut es nicht mehr. Was meinst du? Wir lassen die Ambrastückchen drin. Muskat, Nelken und Iriswurzel passen immer noch. Das Veilchenöl können wir weglassen, denn du bist keine Jungfrau mehr. Erröte nicht! Ich war dabei, nicht wahr? Rosenduft passt nun zu dir, die schönste, edelste aller Blumen und voller Dornen. Das ist genau richtig. Wie du siehst, haben sogar Blumen zwei Gesichter. Was möchtest du noch?«
    Anna Lucretia musste lächeln.
    »Ganz viel will ich noch. Myrrhe, weil sie in den ersten Frühlingstagen die Lieblingsblume der Bienen ist. Ich will Narde, weil Maria Magdalena damit die Füße Jesu salbte.«
    »Und die Apostel schrien auf, weil die sündige Frau ihren Herrn berührte.«
    »Genau! Und der Erlöser tadelte sie und sagte, sie sollten die Frau in Ruhe lassen, sie hatte gut getan und war fortan von ihren Sünden gereinigt.«
    »Das ist es, was du brauchst. Schon Plinius schrieb, Narde sei der feinste aller Düfte. Was willst du noch?«
    Sie wurde wieder ernst.
    »Ich will noch Wermut, gemeinen Wermut.«
    Er verstand sofort, was sie ihm damit sagen wollte.
    »Weil die Frauen ihn im Kindbett bekommen! Oh, mein gelehrtes Weib, meine süße Lucretia! Das musstest du in diesen Zeiten für dich behalten? Meine tapfere Frau, wie kannst du nur an meiner Liebe zweifeln? Du bist die Einzige, die ich will. Hörst du?«
    Nun konnte sie endlich lachen.
    »Dieser Brief wartet.«
    Er biss auf ihr Ohrläppchen.
    »Du willst nur, dass ich dich noch mehr begehre.«
    »Dann tue das, mein Liebster. Ich habe es verdient.«

33

    Beim Mittagsläuten des

Weitere Kostenlose Bücher