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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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zog ihre mit schwarzem Lammfell gefütterte Schaube über ihre Arme und Hände. Den Kopf auf die Brust gesenkt, dachte sie intensiv nach. Kein Muskel ihres weißen, scharfkantigen Gesichts bewegte sich unter der streng gefalteten Witwenhaube. Anna Lucretia erschauderte bei diesem Anblick wie vor den Grabsteinfiguren der Familiengruft im Kloster Seligenthal. Sie wagte es nicht, Sabinas Schweigen zu brechen und presste sich zitternd gegen die dunklen, glasierten Kacheln des heißen Ofens. Endlich sprach Sabina weiter.
    »So einfach ist es nicht, Kind. Wir können nicht alles beim Alten belassen. Niemand wird sich erdreisten, besser als der Herzog zu speisen. Mein Bruder wird, fürchte ich, die Diät nicht durchhalten. Seit deinem Verlobungsmahl hat er fast nichts zu sich genommen, weil ihm beim Gedanken an den Tod noch übel wird. Im Augenblick würde er jedem alles gönnen und sich selbst vor lauter Schreck nichts. Das wird schnell vorbei sein. Schon jetzt fühlt er sich viel frischer. Sein Appetit wird zurückkehren, was auch gut ist. Dann wird es für ihn hart werden. Erst recht, wenn die Edlen in seiner Umgebung das genießen, was ihm so schlecht bekommt. Das hält er nicht aus, ich kenne ihn. Folglich werden wir nie wissen, was ihn krank macht oder gesund. Nein, es ist unvermeidlich: Du, ich, die Räte und alle seine Tischgenossen dürfen nichts anderes essen als er. Das wird auch uns guttun, glaubst du nicht? Unsere Väter, die nicht in Limonensirup, schwerem Wein, Butter und Reiscreme geschwelgt haben, erkrankten nicht am süßen Fluss. Ich lebe lange genug, um es zu wissen. Die Bauern kennen das nicht einmal, Galen hin oder her. Sieh dir den dürren, schlauen Fuchs an, den Doktor Eck! Schreit Zeter und Mordio gegen meinen Bruder Ernst und seinen Paracelsus. Selbst isst er aber, wo er nur kann, nach altem Brauch. Er schwört auf seine Forellen und seinen Claret aus Kehlheim, während er meinen Münchner Bruder mästet. Ach, der gute Wilhelm! Er ist ein Spielzeug in Ecks Händen.«
    Sabina war dabei, sich in Rage zu reden. Anna Lucretia unterbrach sie.
    »Liebste Tante, ich glaube Euch jedes Wort. Lasst uns überlegen, was zu tun ist, damit mein Vater seine Diät durchhält und Johann Albrecht deswegen nicht gemeuchelt wird. Darf ich Euch mein Herz offenbaren? Seht, ich weine nicht mehr wie ein dummes Mädchen. Ich bin ganz ruhig.«
    »Rede, Kind. Dumm bist du nicht, sonst würdest du nicht diesen mageren Zugvogel dem hünenhaften Baumeister vorziehen.«
    Anna Lucretia lächelte gequält. Zugvogel? Warum gebrauchte die Herzogin dieses Wort? Es traf in ihr auf die tiefe Angst, Johann Albrecht ziehen zu sehen, wie er gekommen war. Jeder Hof, jedes Land würde den Gelehrten willkommen heißen. Der Papst rief immer noch nach ihm. Was, falls das Treiben in Landshut ihm zu bunt würde? Allenthalben wartete auf ihn ein genauso gutes Leben, landauf, landab bestimmt bessere Frauen als die uneheliche Tochter eines alten, gebrechlichen Herzogs. Weitergezogen oder tot – beides schrecklich! Er musste bleiben, ihr Vater genesen und diese Verrückten sollten ruhig halten. Andernfalls gab es für sie weder Glück noch Hoffnung mehr.
    »Redest du endlich? Oder hast du nur Luft im Kopf?«
    Sabina klopfte ihr unsanft auf die Schulter. Das Mädchen fuhr hoch.
    »Ja, Tante, entschuldigt! Ich denke, die allermeisten Leute müssen die gleiche Kost bekommen wie bisher. Nicht weniger und nichts anderes. Das ganze Gesinde, die Küche, die Wächter, die Geistlichen, die niedrigen Offiziere und die Schreiber – alle, die nicht an den oberen Tischen beim Herzog essen. Ihre Tafel würde meinen Vater sowieso nicht in Versuchung bringen. Aus ihren Reihen wird niemand mehr verrückt spielen. Bleibt der engere Hofstaat. Das sind schon weit weniger Leute. Die dürfen weder Hunger noch Erschöpfung fürchten. Denen können wir erklären, warum Ihr so entschieden habt. Was meint Ihr, liebe Tante?«
    Sabinas ernstes Gesicht hatte sich bei Anna Lucretias Worten aufgehellt. Sie nickte.
    »Sehr gut, Kind. Ich dachte, mein Sohn wäre der einzige politische Kopf von allen Nachkommen meiner seligen Mutter. Auch du hast ihr Blut. Ich hätte es nicht besser sagen können. So machen wir es.«
    Anna Lucretia gefiel das Lob ihrer Tante nur teilweise. Sie war der Meinung, dass ihre eigene, oft schmerzlich vermisste Mutter, immerhin die Tochter des Bürgermeisters und Ehefrau eines Gelehrten, ihr einiges auf den steinigen Lebensweg mitgegeben hatte. Nicht

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