Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
der die Welt in seiner Hand hält, hat sich in dieser Stunde und für die Zeit seines Verweilens in diesem Jammertal zum Ärmsten der Armen gemacht. Der himmlische König ist uns als Bettler erschienen, damit der irdische König angesichts seiner Sünden zum Bettler wird und aus tiefstem Herzen bereut. Hoheit, so wie die drei Könige aus dem Morgenland, so ist es richtig, dass auch Ihr vor der Krippe kniet und den Erlöser anbetet. Gott spricht aus Eurem Herzen. Tut, was Ihr für richtig haltet. Ist das die Buße, so sollen Eure Leute es Euch gleichtun. Vertraut auf den Herrn! Seine Zeichen werden sichtbar sein, wenn er die Buße von Euch nicht mehr verlangt.«
Völlige Stille folgte auf Ecks Rede. Er zupfte schnell die Falten seines Talars zurecht, kreuzte seine Arme unter der Schaube und ging mit nur drei Schritten zu den Räten zurück. Seine dunklen Augen glühten noch, dennoch zuckte kein einziger Muskel seiner scharf geschnittenen Gesichtszüge. Anna Lucretia traute ihren Ohren kaum. Sie sah kurz zu Sabina, die wie angewurzelt neben ihr stand. Die Verblüffung schien sie zu lähmen. Die junge Frau suchte den Blick ihres Verlobten. Er war, wie sie fand, finster, aber völlig undurchdringlich. Ludwig war der Einzige, der nicht überrascht schien. Belustigt beobachtete er zunächst die Szene, die sich ihm bot, hieß dann die keuchende Frau Weißenfelder aufzustehen und führte sie zu ihrem Gatten zurück, still gefolgt von ihren vier niedergeschlagenen Mitstreiterinnen.
Erst Ludwigs Bewegungen lösten die allgemeine Starre. Der Hofkaplan, der wohlgenährte, freundliche Johannes Landsberger, bekreuzigte sich mit Begeisterung dreimal und dankte dem Herrn Hofrat Doktor von Eck dafür, dass er im richtigen Augenblick an die einfachen Pflichten eines jeden Christenmenschen erinnert hatte. Nach ihm bekreuzigten sich auch der herzogliche Kanzler Doktor Rosenpusch sowie der Hofmeister Christoph von Praitenpach, dann Weißenfelder, Widmannstetter, Anna Lucretia und Sabina. Die alte Herzogin tat es langsam und demonstrativ, weder ärgerlich noch sichtbar erfreut, was nach ihr eine Welle von resignierten Bekreuzigungen auslöste.
Ludwig bedankte sich hocherfreut für die zugesicherte Unterstützung. Währenddessen hatten sich der Küchenmeister und die Köche weder gerührt noch bekreuzigt. Die Ratlosigkeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Joris Kärgl zögerte nun nicht länger. Bedächtig trat er vor den Herzog und dessen Schwester Sabina.
»Hoheit, Ihro Durchlaucht, wir benötigen jetzt genaue Instruktionen. Da Ihr, gnädigster Herr, seit Eurem letzten Unwohlsein fast nichts zu Euch genommen habt, haben wir Eure Tafel bereitet wie stets. Wie sollen wir es nun halten? Nach den Empfehlungen des Doktors Paracelsus? Dafür brauchen wir Beratung. Oder sollen wir die Speisen nach den üblichen Regeln der Fastenzeit zubereiten? Hat der Hofrat Eck das gemeint? Oder beides zusammen? Wie sollen wir vorgehen?«
Eine kleine Gruppe junger Adliger, die sich besonders langsam bekreuzigt hatten, pflichtete dem Küchenmeister leise bei. Anna Lucretias feines Ohr vernahm sogar die freche Frage, mit welcher Soße sie, die noblen Männer, serviert werden sollten. Sabina nahm die Sache in die Hand. Ein neues Auftreten Ecks wollte sie unbedingt verhindern.
»Selbstverständlich erfolgen die Zubereitungen nach den Empfehlungen des Doktors Paracelsus. Sie sind in sich Buße genug, gerade, was Brot und Gemüse betrifft. Wir fangen gleich an, die herzogliche Tafel danach herzurichten. Ich werde jeden Tag in die Küche kommen, da es nach großen Veränderungen verlangt. Wir machen uns sofort an die Arbeit. Kommt! Komm auch du, Anna Lucretia!«
Doch nach nur einem Schritt stand Claudio Soldani vor ihr, der italienische Koch, der das schicksalhafte Verlobungsmahl zubereitet hatte. Soldani verbeugte sich überschwänglich vor der Herzogin.
»Verzeiht bitte, per favore, verzeiht, Ihro Durchlaucht, graciosa Principessa! Darf ich kurz sprechen?« Sabina sah ihn so grimmig an, dass er unwillkürlich zurückwich, doch ließ er sich nicht vertreiben. »Es ist wichtig, molto importante. Ihr müsst mir zuhören.«
»Später. Morgen in der Küche.«
»Nein, bitte nein, hier jetzt, noch vor der noblen Gesellschaft«, versuchte Soldani die Herzogin keuchend und schwitzend zu beschwichtigen.
Mordlust stieg in Sabina empor. Dieser Giftmischer hatte ihren Bruder beinahe auf dem Gewissen. Was wollte er? Ein öffentliches Geständnis ablegen? Reue und
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