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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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Langhahn erscheinen würde, um daraus die Soße zu machen. Und dem Rothaarigen wollte er nicht begegnen.
    Der Baumeister ging mit festem Schritt durch das Zerwirkgewölbe zum äußeren Burghof. Was er dort zu sehen bekam, drehte ihm den Magen auf der Stelle wieder um. Anstatt des an Fleischtagen üblichen Wildbrets und Geflügels hingen an der Wand lebende Süßwasserschildkröten mit zappelnden Beinen. Ein Gewicht hinderte eine jede daran, den Kopf einzuziehen. So würde man sie in kurzer Zeit schnell töten und ausbluten lassen können, bevor man ihre Panzer aufbrach, um alle Knochen und Weichteile in gewürztem Wasser zu sieden. Überreiter erzitterte erneut und konnte nicht mehr aufhören: An die Folterbank, falls er entdeckt oder auch nur beschuldigt würde, hatte er bisher nicht gedacht. Jetzt ließen sich die Schreckensbilder nicht mehr aus seinen Gedanken verjagen.
    Das Einweihungsfest am Nachmittag erlebte er wie in Trance. In dem sonst so dunklen Raum beleuchtete das Licht unzähliger Kerzen und Fackeln das prachtvolle Werk des Baumeisters. Das zweischiffige Kreuzgewölbe, geteilt durch drei quadratische, frei stehende Pfeiler, erinnerte tatsächlich an eine unterirdische Kirche. Das erste der später einmal drei riesigen Eichenfässer stand zwischen kunstvollen Wandbildern, bedeckt mit farbigen Banderolen. Es war angefertigt nach dem Modell der berühmten Heidelberger Riesenfässer, konnte aber mit seinem Fassungsvermögen von mehr als 1000 Eimern noch mehr Wein aufnehmen als jene.
    Nach der Segnung durch den Hofkaplan lobte Herzog Ludwig seinen deutschen Baumeister.
    »Was für eine gute Arbeit, Meister Niklas! Wir sind höchst zufrieden mit Euch. Jetzt gebührt Euch jede Ehre. Gebt uns zu trinken!«
    So war es vereinbart. Als Erster durfte Überreiter das jungfräuliche Fass öffnen und dann den fruchtigen Kehlheimer Claret, persönlich gespendet von Leonhard von Eck, an die adlige Gesellschaft austeilen. Darauf hatte es Langhahn angelegt: eine einfache, kleine Geste im feucht-fröhlichen Treiben.
    »Musik!«, befahl Ludwig. »Wir wollen tanzen.«
    Bald ertönten Flöten, Fideln und Lauten. Trotz Sabinas Bemühungen, ihren Bruder davor zurückzuhalten, führte der Herzog mit einer strahlenden Ursula an seiner Seite den Branle an. Auch hob er mit seinem wieder erstarkten Bass zum ersten Trinklied an.
    »So trinken wir alle diesen Wein aus den Schalen, diesen Wein, den Fürsten aller Weine.« Er sah um Jahre verjüngt aus. »Und noch ein Becher, Baumeister!« Dann weiter singend: »Trink, mein lieber Dieter, so wird dich nimmer dürsten, trink gar aus, trink gar aus!«
    Der Ring an Überreiters Finger wog Tonnen. Das Bild Anna Lucretias, an Widmannstetters Hand lachend und hüpfend bei der Branle, fegte immer wieder für kurze Momente all seine Skrupel hinweg. Überreiters Blut kochte, die Hand wurde ihm leicht. »Beim nächsten Lied mach ich es. Was soll’s, sind ja nur Mistelbeeren.« Gleich begann das nächste Lied, von allen lauthals mitgesungen:
    »Herr, tragt den Fürsten leise, damit er uns nicht fehle, auf Gottes Erdenreich. Sein Lob ich immer preise, er macht uns freudenreich, jeden auf der anderen Weise.«
    Überreiters Hand erlahmte wieder. »Ich kann es nicht. Warum soll ich überhaupt? So dumm kann man doch nicht sein.« Wie von seinen Gedanken gerufen, scharten sich die Hofzwerge in ihren bunten Fetzenanzügen um ihn. Ihre verzerrten Stimmen bohrten sich in seine Ohren:
    »Heb auf und lass uns trinken, dass wir also nicht scheiden von diesem guten Wein, und lähmt er uns die Schinken, so muss er doch hinein, den Kopf nun lass uns winken, ob wir zu Bette hinken, das ist eine kleine Pein.«
    Ludwig lachte schallend, begleitet von der ganzen Gesellschaft.
    »Noch ein Becher, Baumeister! Kommt endlich mit uns tanzen!«
    Er nahm selbst die Laute und sang:
    »Da tranken sie die liebe lange Nacht, bis dass der lichte Morgen anbrach, der helle, lichte Morgen. Sie sangen und sprangen und waren froh und lebten ohne alle Sorgen.«
    Überreiter füllte den leeren Becher des Herzogs, gönnte sich dann endlich selbst einen und reihte sich in den Branle ein. Bald forderte ihn die erste Dame auf, sie an der Hand zu führen. Den ungeleerten Ring steckte er in seine Gürteltasche. Als die Festgesellschaft sich nach oben begab, um das Mahl zu genießen, blieb er einen kurzen Augenblick allein im Keller. Es überraschte ihn nicht, dass der Soßenkoch sogleich seinen roten Schopf um eine Ecke streckte.
    »Habt

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