Sukkubus 02 - One Way Ticket in die Hoelle
sein sollte.
Zwischen Laptops und Bücherstapeln hindurch sprach der Tisch plötzlich zu mir: »Ich hatte nicht erwartet, dass du kommen würdest.«
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte, über die Berge aus elektronischen Geräten und Büchern hinwegzuspähen. »Alekto? Erinnye? Bist du hier?«
Haufen von Papier wurden beiseitegeschoben, und ein Stapel Bücher fiel krachend auf den Holzfußboden. Dahinter kam eine Frau zum Vorschein, etwa Mitte dreißig, mit schwarzem Haar, das sie in kunstvollen Zöpfen um den Kopf geschlungen trug. Unter der Bauern bluse glänzte ihre nackte Haut wie Olivenöl. Ein schwarzer Schal, der Schlangenhaut imitierte, wand sich um ihren Hals. Ihre Lippen waren zu schmalen Bleistiftstrichen z u sammengepresst, und ihre großen blauen Augen, die mich ei n dringlich ansahen, waren derart blutunterlaufen, dass sie beinahe leuchteten. Erschöpfung umfing sie wie ein schweres Parfüm. Ich konnte ihr keinen Vorwurf machen; ich war schon erschöpft, wenn ich mich in diesem Büro nur umsah.
»Lieber Himmel«, entfuhr es mir, bevor ich mich zusamme n reißen konnte, »du siehst ja furchtbar aus.«
Sie lächelte gezwungen. »Ich glaube, zutiefst verängstigt und höflich hast du mir besser gefallen.«
Ups. Ich überlegte kurz, auf die Knie zu fallen und um Verg e bung zu flehen, aber ich konnte nicht genügend Angst aufbri n gen, um mich dazu durchzuringen. »Ich habe zu viel hinter mir, um noch angemessen Furcht zu empfinden, Erinnye.«
Was mir ein stilles Lachen einbrachte. »Das bringt der Tod so mit sich, nehme ich an.«
»Ist nur ein vorübergehender Zustand.«
»Vielleicht.« Sie hob ihre knochigen Schultern, die sich unter der weiten Bluse abzeichneten. »Du hast recht. Ich sehe beschissen aus. Versuch du mal, über die gesamte Hölle und einen Großteil der Erde Buch zu führen und dabei noch entspannt auszusehen.«
»Was bist du?«, fragte ich. »Seine Sekretärin?«
Sie öffnete eine Schreibtischschublade, tippte einen Code ein, und alle Fernseher verstummten. »Majordomus, genau geno m men.«
Die Personifizierung niemals rastender Wut, gefangen hinter einem Schreibtisch. Ich schüttelte den Kopf und staunte über die außergewöhnliche Dreistigkeit des Königs. Andererseits musste ich – wenn auch widerwillig – zugeben, dass dies ein ziemlich kluger Schachzug war. Wenn ich selbst hier die Leitung hätte, könnte ich mir kein besseres Wesen als meine rechte Hand vo r stellen. Die Erinnyen haben ein besonderes Talent, die Wahrheit hinter den Dingen zu erkennen und die Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit vorauszusagen. Wenn man außerdem b e denkt, dass sie fast unbegrenzte Macht besitzen und so gut wie jedes Geschöpf in Angst und Schrecken versetzen können, st e hen einem mit ihnen die wichtigsten Akteure der gesamten Schöpfung zur Verfügung, vom Teufel und dem Allmächtigen einmal abgesehen. Und bei Letzterem war es nicht einmal sicher, denn Gerüchten zufolge machte selbst Gott einen großen Bogen um die Furien.
Ich sagte: »Deine Königin muss ja begeistert sein.« Lyssa, V o gelfrau und Göttin des Wahnsinns, war nicht gerade berühmt für ihre Großmut; sie pflegte ihre Stellung als Königin der Furien mit einer irrsinnigen Arroganz, neben der jeder Vertreter des Hochmuts regelrecht bescheiden wirkte.
Alekto verzog das Gesicht. »Ihr Name wird hier nicht ausg e sprochen.«
Ooh shit. »Schwierigkeiten?«
»Das geht dich nichts an.« Seufzend klappte sie den Laptop zu, der ihr am nächsten stand. »Mir tun schon die Augen weh von diesem Scheißding.«
»Warum verwandelst du dich nicht einfach in ein Wesen, das schärfere Augen hat?« Beispielsweise in das Kaninchen aus Monty Pythons Die Ritter der Kokosnuss.
Sie verzog höhnisch den Mund. »Kleidervorschrift. Der König besteht auf menschliche Gestalt, solange ich mich im Büro au f halte.«
»Ah.« Manche Regeln am Arbeitsplatz waren echt schwachsi n nig. »Majordomus der Unterwelt also. Gar nicht übel. Würde sich gut auf einer Visitenkarte machen.«
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und musterte mich. »Ich weiß nicht so recht, ob ich deine Zungenfertigkeit erfrischend oder ärgerlich finden soll.«
»Anscheinend übe ich diese Wirkung auf andere aus.« Ein N e beneffekt, wenn die Grenzen meiner Belastbarkeit überschritten waren: Ich benahm mich extrem dämlich. Als Nächstes würde ich vermutlich dem Minotaurus hinterherrennen, einen roten Hut schwenken und »Raspberry Beret«
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