Sukkubus 02 - One Way Ticket in die Hoelle
zu erregen.
»Erinnye Alekto«, rief ich. »Du hast mich gebeten, zur Hölle zu fahren, um deine Schwester zu retten. Erinnye Alekto, ich bin hier, in der Hölle. Erinnye Alekto, ich, die ich Jezebel war, e r warte dich.«
In meinem Bewusstsein regte sich eine fremde Gegenwart, eine Schlange, die sich langsam erhob. Jeane Harris. Jezebel. Du bist gekommen, um das zu tun, worum ich dich gebeten habe?
Ja.
Du kommst freiwillig und aus eigenen Stücken?
Ja.
Du kommst, um Megaira zu befreien?
Ja.
So komm zu mir.
Die Endlosen Höhlen verschwanden, und mit einem Wimper n schlag war ich woanders. Ich schlug mir auf der Stelle die Hände vors Gesicht, nachdem ich in ein gleißendes Licht geblickt hatte, das meine Augen blendete und mich sekundenlang erblinden ließ. Ein ständiges Risiko, wenn man von einer der sieben mächtigsten Wesenheiten im gesamten Universum zu sich g e rufen wird: Manchmal dringt diese Macht nach außen und blendet alles andere aus.
Shit. Ich hasste es, mit übermächtigen Wesen zu verhandeln, wenn ich meine Sonnenbrille nicht dabeihatte.
»Du, die du der Dämon Jezebel warst«, sagte Alekto mit einer Stimme, die trügerisch zart klang, beinahe mädchenhaft, »öffne die Augen.«
Ich befeuchtete meine Lippen, nahm den Arm herunter und öffnete die Augen, um eine Wand aus kleinen Fernsehbil d schirmen anzustarren, die wie Ziegelsteine übereinandergest a pelt waren; alle waren eingeschaltet, ihr Ton kaum hörbar, und auf jedem lief ein anderer Sender. Mein Blick verschwamm, als ich die schier endlosen Programme betrachtete: Nachrichte n sendungen und Talkshows, politische Berichterstattungen und Stand-up-Comedy. Ich spürte, wie mein Verstand ins Schlingern geriet. Selbst im besten Fall, wenn Paul neben mir auf dem a b gesessenen Sofa in seinem Wohnzimmer lag, hatte ich Mühe, dem Lauftext in den 24-Stunden-Nachrichten zu folgen, wä h rend ich mir gleichzeitig die attraktiven Nachrichtensprecher ansah. Allein der Versuch, mich auf einen einzigen von Alektos Fernsehbildschirmen zu konzentrieren, kam mir vor, als wollte ich alle Einträge in einem Wörterbuch gleichzeitig lesen und nebenher »The Star Spangled Banner« singen – in fünf ve r schiedenen Sprachen und im Chor mit mir selbst.
Argh!
Mit hämmerndem Kopf wandte ich mich von der Fern sehwand ab, um stattdessen vor einer Collage aus Miniaturfotos zu stehen: Hunderttausende von farbigen Stillleben in Form von Passfotos und ausgefallenen Schnappschüssen, teils natürlich, teils gestellt, die an die angrenzende Wand gepinnt waren. Jedes Foto war mit einer Bildunterschrift versehen. Namen, wie ich feststellte: Jedes Foto wurde begleitet von einem Namen. Daneben folgten B ü cherregale, vollgepackt mit Büchern, Sammelbänden und Zei t schriften; Wörter, auf Seiten gequetscht, Seiten, in Bände g e presst, und Bände, die man in unzählige Regalfächer gestopft hatte.
Und dann gab es noch Karten. Hunderte von ihnen, die jedes Stück Wand bedeckten, das nicht von Fotos, Fernsehern oder Regalen eingenommen wurde: hier ein Plan der Ferienvillen in Frankreich, dort eine topografische Darstellungen des austral i schen Outbacks. Von Darfur bis Detroit, von Hongkong bis Helsinki, Karten und Pläne und Skizzen aus allen Winkeln der Welt. Falls die Wände an sich eine Farbe hatten, war diese längst hinter all den televisuellen und statischen Informationen ve r schwunden. Daten als Tapetenmuster.
Ein Klingeln tönte in meinen Ohren, und mein Magen drohte zu rebellieren. Anstatt meinem Körper zu erklären, dass er gar nicht kotzen konnte – er war schließlich tot, eine Seele, die keinerlei Bedarf an Nahrung hatte –, wandte ich mich von den Fernsehern und Bildern ab und konzentrierte mich auf das einzige Möbe l stück im Raum.
In der Mitte des Zimmers stand ein Schreibtisch, der locker die Größe eines schwangeren Wals hatte. Vielleicht war es eher ein Esszimmertisch als ein Schreibtisch – dies nach der Oberfläche zu beurteilen war jedenfalls unmöglich, denn diese war vol l ständig von Computern, Büchern und Papierstapeln verdeckt. Hinter dem Tisch, frei schwebend, befand sich eine weiße Tafel, auf der in roter Schrift eine Liste vermerkt war. Die ersten drei Punkte waren links abgehakt.
Königreich gegen Königreich
Nation gegen Nation
Teufel s doktrin
Trübsal
Hungersnot
Gräuel
Erdbeben
Ewige Verdammnis = Ewiges Heil
Ich hatte so einen vagen Verdacht, dass das kein alternativer Text zu dem INXS-Song »Mediate«
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