Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
Einzige, was zählt, ist dieser widerwärtige Vorwurf des Cherubs.
Der gefallene Engel blickte zu mir auf, sein wunderschönes Gesicht umrahmt von weißgoldenen Locken, der Hals völlig farblos, die blauen Augen erfüllt von Traurigkeit. Ein heiseres Flüstern: »Mein Lord.«
Ich werde dir beweisen, dass sie für mich nicht mehr ist als eine menschliche Marionette. »Eine zerbrechliche sterbliche Puppe«, spie ich ihr entgegen.
Es tut mir leid, mein Lord. Aber ob es ihr ihretwegen oder meinetwegen leidtat, das verriet sie mir nicht.
Ich fletschte die Zähne und ließ meine Magie durch mich hindurchfließen, um mich in Virginias Haus zu versetzen.
Kapitel 20
Zu spät
Ich materialisierte mich in ihrer Küche – Diskretion war inzwischen überflüssig. Alles war überflüssig außer meiner rohen Macht, mit der ich sie überschütten würde, damit sie meinen Namen sagte und ich sie endlich töten konnte. Ich würde zusehen, wie ihre smaragdgrünen Augen vor Leidenschaft glasig wurden, während ich sie um ihr Leben vögelte. Sie würde mit einem Lächeln und meinem Namen auf den Lippen sterben. Ihre Seele in meiner Gewalt.
Nicht mehr als eine gewöhnliche Kundin.
Halb neun morgens. Sie hätte eigentlich längst im Büro sein sollen, aber ich wusste, dass sie zu Hause sein würde – sich im nachhaltigen Schein unseres Sex sonnend, in ihrem zerwühlten Bett träge ausgebreitet, nackt, meiner Rückkehr harrend. Meine Kundinnen sehnten sich stets nach mehr. Virginia würde keine Ausnahme bilden. Sie war nichts als eine weitere menschliche Puppe. Und Puppen waren dazu da, dass man sie kaputt machte. Sogar die guten.
Ganz besonders die guten.
»Mit den Guten muss man sich eben Zeit lassen« , sage ich zu Callistus, gezwungen lächelnd. »Ich beeinflusse bereits ihr Handeln. «
»Ach ja?« Er zieht eine Augenbraue hoch. »Macht sie etwa für
dich die Beine breit?«
Oh, ja. Zur Hölle, ja. Ich grinste, aber mein Gesicht war zu angespannt, meine Zähne zu groß, und es fühlte sich an, als würde ich schreien.
»Virginia.« Ich schmetterte ihren Namen. »Ich bin hier.«
»Hier«, antwortete sie von irgendwoher im Haus. »Hier hinten.«
Kein bisschen überrascht, wie? Natürlich nicht. In der Tiefe deines wunderschönen menschlichen Herzens hast du gewusst, dass ich zurückkommen würde.
Während ich den langen Flur hinunterging, ballte ich meine Macht, sodass ich sie nur noch freilassen musste, sobald Virginia zu mir aufblickte und mich mit ihrem Lächeln begrüßte. Ich kam am Badezimmer und am Gästezimmer vorbei, doch anstatt dass Virginia mich mit offenen Armen und Beinen in ihrem Schlafzimmer erwartete, stand die Tür zu meiner Linken offen, die in den kahlen Raum mit den verschlossenen Kartons und den vollgestopften Taschen führte.
Nur dass die Kartons inzwischen nicht mehr verschlossen waren -jedenfalls nicht alle. Ich blieb im Türrahmen stehen, meine Faust zitternd vor Magie, und ließ meinen Blick durch das kleine Zimmer schweifen, über Hunderte, Tausende von Fotos, die in wackeligen Stapeln jede verfügbare Oberfläche bedeckten. Gerahmt und ungerahmt, lose und in Alben, bunt und schwarzweiß. Von kleinformatig bis Postergröße. Fotos und Bilder und, nun, da ich genauer hinsah, Zeichnungen. Ein Wirbelsturm von Schnappschüssen und Porträts, die über den ganzen Raum verstreut waren, abgenutzt und ausrangiert.
Und mitten im Raum saß Virginia, in einem abgetragenen weißen Frotteebademantel, der wie das ausrangierte Kleidungsstück eines Engels aussah. Ihre dicken Locken im Nacken zu einem losen Pferdeschwanz zusammengebunden, saß sie im Schneidersitz am Boden, einen Zeichenblock auf dem Schoß und einen Kohlestift in der Hand. Es war Virginia, einschließlich ihres typischen Geruchs, aber irgendetwas an ihr hatte sich verändert – es waren die unbeschwerten Bewegungen ihrer Schulter und ihres Nackens, befreit von jedem Schmerz; der Ausdruck von Selbstzufriedenheit in ihren Augen, der so anders war als das flüchtige Wohlgefühl nach dem Sex. Die Veränderungen waren subtil und doch überwältigend. Es war ihre Art zu atmen, während sie zeichnete, während sie erschuf, während sie lebte. Es war sie selbst. Virginia.
Und ich wurde schwach.
Süße Sünde, sieh sie dir nur an: die Kohleflecken auf ihrer blassen Stirn, als hätte sie sich die Locken zunächst ungeduldig aus dem Gesicht gestrichen, bevor sie zur Haarspange gegriffen hatte; ihre Lippen, so voll und küssenswert und vor
Weitere Kostenlose Bücher