Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
Konzentration gespitzt; ihr Mund leicht geöffnet, als wollte sie dem vor ihr aufblühenden Bild mit ihrem Atem Leben einhauchen; ihre Augen, strahlend und lebhaft, wie Mondschein auf frischem Gras, und fest auf ihre Arbeit fixiert.
Meine Magie versickerte, während ich zusah, wie sie den Stift über das Papier führte, voller Anmut und Präzision.
Sie murmelte: »Gib mir noch einen Moment …«
»Lass dir Zeit«, erwiderte ich. Ich sah ihr fasziniert zu, wie sie ihre ganz eigene Musik komponierte, indem sie ihre innere Melodie in Form verwandelte. Virginia, die Meisterin; Virginia, die Künstlerin.
Ich würde sie ihre Zeichnung beenden lassen, bevor ich sie tötete. Das war das Mindeste, was ich tun konnte.
Mehr, um mich zu beschäftigen, als aus echter Neugier griff ich nach einem Stapel Fotos. Und lächelte, als ich sie der Reihe nach ansah. Einige stammten aus Virginias Kindheit – Virginia in Gesellschaft anderer Kinder, die allesamt mit ihren perfekten, unschuldigen rosa Zungen Eis schleckten; Virginia allein, beim Fahrradfahren, ihr Gesicht für immer festgehalten in einem Ausdruck reinster Freude; weitere Bilder von Virginia, umgeben von Freunden, überhäuft von Liebe; Virginia, nachdenklich und ernst, eine Studie der Frau im Kind. Dann eine etwas ältere Virginia – ausgestreckt am Strand, um sich von der Sonne noch intimer küssen zu lassen, als ich sie letzte Nacht geküsst hatte; lachend, mit anderen Teenagern, die sich gegenseitig in freundschaftlicher Zuneigung die Arme um den Hals geschlungen hatten; Virginia, vertieft in ein Buch; Virginia, die mit ihren Farben und Pinseln ein Bild auf eine Leinwand zaubert, völlig eins mit ihrer Kunst. Und schließlich Virginia als erwachsene Frau, mit einem sinnlich weiblichen Körper und einem entspannten Lächeln.
Ihr gesamtes Leben zog in einer Reihe von Schnappschüssen vor meinen Augen vorbei.
Ich entdeckte ein großformatiges Foto von einer Frau in Weiß und einem Mann im Anzug. Ich studierte ihren Ehemann einen Augenblick lang – seine vor der Brust verschränkten Arme, das breite Lächeln auf seinem Gesicht –, dann wandte ich mich Virginia in ihrem Hochzeitskleid zu. Sie sah zu ihrem Mann auf, ein frohlockendes Grinsen auf dem Gesicht, die Augen freudestrahlend; ihre schwarzen Locken waren mit einem weißen Band zurückgebunden. Ihr Kleid betonte ihre geschwungene Figur, schmiegte sich um ihre Kurven, ohne sie unter Bergen von Spitze und Tüll zu begraben, wie es in der heutigen Zeit bei Kleidungsstücken dieser Art häufig der Fall ist. Ihre zierlichen Hände hoben den Saum ihres Kleides, sodass die verführerische Form ihrer rechten Wade und ihres Oberschenkels entblößt war und ein rotes Strumpfband erkennen ließ, in dem eine Spielzeugpistole steckte.
Meine Virginia.
Ich lachte leise und strich über das Foto, als könnte ich jenes Strumpfband berühren, das sich so eng an ihren Schenkel schmiegte. Ich fragte mich, ob die Waffe wohl ihre Idee gewesen war. Wahrscheinlich – Virginia hatte eine dunkle Seite, die ich noch nicht erforscht hatte.
Und niemals erforschen würde.
Ich dachte an ihren roten Schal, der sich über ihre volle Brust gelegt hatte, als wollte er sie begrapschen, und daran, wie ich zu dem Schluss gekommen war, dass sie mir in Rot gefiel.
»Okay.«
Ihre Stimme, zufrieden und atemlos, gefolgt von dem Geräusch reißenden Papiers, lenkte meine Aufmerksamkeit von dem Hochzeitsfoto ab. Ich legte das Bild beiseite und sah sie an: die Frau, die mich zum Prinzen der Lust machen würde; die Frau, die so bedeutungslos war und mir dennoch etwas bedeutete; die Frau, die mich mit ihrer Güte verführte, während ich sie mit meiner Bösartigkeit verdammte. Die Frau, die ich töten und in die Hölle bringen würde. Jetzt.
Aber meine Macht rann mir durch die Finger, weigerte sich mir zu gehorchen.
Virginia lächelte das Blatt Papier an, das sie in ihren kohleschwarzen Händen hielt. Sie sagte: »Es ist nicht annähernd so gut geworden, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich musste schließlich nach dem Gedächtnis arbeiten. Und nach Gefühl. Ich finde, die Augen sind ganz gut geworden.«
Ich musste sie töten.
Ich konnte sie nicht töten.
Mein Herz kreischte in meiner Brust, mein Blut donnerte in meinem Kopf. Ich grinste sie an, zwang mich, ganz Daunuan zu sein, nicht Don Walker; zeigte ihr, wie sehr ich ihren Körper wollte, nur ihren Körper, indem ich sie anstierte und nach ihr lüstete und so tat, als wäre ich nicht
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