Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
ihr Herz erobert und sich geweigert, es wieder herzugeben? Bestimmt nicht ihr abwesender Ehemann, ganz gleich, was der Ring an ihrer Hand auch vorzugeben schien. Ein Mann, dem etwas an seiner Frau gelegen war, ignorierte sie nicht tagelang, nicht in einem Zeitalter ständiger Kommunikation.
Welche Art von Mann lässt dein Herz schneller schlagen, Virginia?
Deine Magie kann ihr nichts anhaben, hatte Jezzie gesagt, nicht als Mittel arglistiger Täuschung.
Doch was, wenn keinerlei Arglist im Spiel war? Die hintergründigen Absichten zählten vielleicht für Menschen. Doch galt das Gleiche auch für Dämonen? Wenn ich ihr nichts antun wollte, sie weder verführen noch ihre Seele stehlen, sondern ihr lediglich helfen wollte, sich zu entspannen, würde dies bereits ausreichen, um sie für meine Magie empfänglich zu machen?
Ich ignorierte die verlockende Frage, wonach sie wohl schmecken würde, wenn ihr Körper feucht war vor Begierde, ihre Seele knapp außerhalb meiner Reichweite. Stattdessen dachte ich daran, wie verspannt sie war, sogar im Schlaf. Wie sehr ihr Nacken und ihre Schulter sie quälten. Ich dachte an den Schmerz und an die Traurigkeit, die ihre grünen Augen vor Kummer schimmern ließen. Lass mich deinem Schmerz ein Ende bereiten, Virginia. Wenigstens für eine Nacht.
Ich zog meine Macht zusammen und sprach eine stumme Aufforderung: Bitte lass mich ein.
Ich atmete aus, hauchte ihr meine Magie entgegen, umspülte ihren Körper mit Lust. Sie schlief weiter, doch ihr Atem stockte. Dann seufzte sie – die Andeutung eines Stöhnens.
Ja.
Träum von demjenigen, auf den du wartest, Virginia. Ich schob ihr den Befehl behutsam zu, sanft wie eine Umarmung. Zeig mir, nach wem du dich sehnst.
Sie rollte sich auf die Seite, dann auf den Rücken, warf einen Arm über den Kopf und murmelte etwas – einen Namen.
Chris.
Ich konzentrierte mich auf diesen Namen, reckte mich, griff nach ihrem Verstand, nach ihrem Traum.
Und drang ein.
Das Restaurant ist längst nicht voll besetzt – ein paar Gäste an vereinzelten Tischen, eine Handvoll Kellner im Pinguin-Outfit, hier und da ein Hilfskellner, der Wassergläser auffüllt, ein piekfeiner, kriecherischer Restaurantleiter. Die Luft ist erfüllt von Gerüchen, insbesondere von Knoblauch und Bratöl. Italienisches Essen. Meine Lippen zucken unerwartet vor Freude, und seltsamerweise muss ich an den Vesuv denken. Ich höre ihre Stimme, ihr Lachen, als sie von der Lava und von Neapel erzählt.
Dann schiebe ich die Erinnerung beiseite; ich bin nicht ihretwegen hier. Ich lasse meinen Blick über den Raum schweifen, bis ich sie abgeschieden in einer Ecke des Raumes erspähe: meine Lady. Und ihren Liebsten.
Virginia hat sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt, absolut entspannt. Ihre Kleidung passt ganz und gar nicht zu dem Pseudo-Chic dieses Restaurants. Ihr Oberkörper steckt in einem abgetragenen grauen Sweatshirt mit weitem Ausschnitt, der eine ihrer nackten Schultern erkennen lässt; die Ärmel sind abgeschnitten. Dazu trägt sie eine weite Schlafanzughose aus Flanell, die in der Taille von einer Kordel gehalten wird. Statt fester Schuhe trägt sie flauschige hautfarbene Pantoffeln, von denen einer an ihren Zehen baumelt, während sie ihren Fuß träge hin und her schwingt; der Stoff ihrer Hose schlackert ihr um die Knie und lässt die nackte Haut ihrer Waden aufblitzen. Sie ist jetzt deutlich jünger, vielleicht zweiundzwanzig, und ungefähr zehn Kilo leichter. Mir gefallen ihre runderen Formen besser – ihr Gesicht wirkt fast hager.
Der Mann, der ihr gegenübersitzt und mit seinen großen Händen eine Scheibe Brot zerpflückt, ist gut aussehend, aber eindeutig kein Fotomodell: kurzes schwarzes Haar, das anfängt, dünn zu werden; helle schokoladenbraune Augen, die von Fältchen umrahmt sind; ein breites Gesicht mit starkem Kiefer, das durch einige überschüssige Pfunde weicher wirkt, bedeckt von nachmittäglichen Bartstoppeln. Seine Haut ist leicht olivfarben und deutet auf eine mediterrane Abstammung hin. Kräftiger Nacken und breite Schultern, die Jezebels Sahneschnitte wie einen Milchbubi erscheinen lassen. Genau wie Virginia ist er eher fürs Bett als für einen Abend im Restaurant gekleidet: Er trägt ein verwaschenes weißes T-Shirt und eine schwarze Jogginghose. Seine großen Füße sind nackt. Haarige Zehen.
Ein Kellner eilt an mir vorüber und raubt mir für einen kurzen Moment die Sicht auf das Paar des Abends. Umso besser – trotz meines menschlichen
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