Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
jedenfalls sicher, dass das mit der Freundin ihrer Mutter gelogen ist. L’il schminkt sich sonst kaum. Warum sollte sie sich ausgerechnet für eine alte Dame so zurechtmachen?
Mitten in meine Grübeleien hinein kommt mir plötzlich eine Idee. »Ich weiß, was ich machen könnte. Ich fahre zu Samantha Jones.«
»Wer ist das?«, fragt L’il.
»Die Cousine meiner Freundin Donna LaDonna aus Castlebury«, helfe ich ihrem Gedächtnis auf die Sprünge. »Die, bei der ich an meinem ersten Abend in New York übernachtet habe. Sie hat mir zwanzig Dollar fürs Taxi geliehen. Die gebe ich ihr heute zurück.« Das ist natürlich nur ein Vorwand, um nicht allein
mit Peggy in der Wohnung bleiben zu müssen und mit jemandem über Bernard reden zu können, der vielleicht etwas mehr Interesse zeigt als meine Zellennachbarin.
»Schön, mach das.« L’il legt ihren Spiegel beiseite und lächelt zerstreut, als hätte sie nichts von dem, was ich gesagt habe, mitbekommen.
»Hey, da fällt mir ein – heute Abend ist doch die Party, zu der uns der Typ eingeladen hat, als wir vor der Schule standen, weißt du noch? Lass uns da hingehen«, sage ich aufgeregt. Und wenn Bernard tatsächlich anruft, könnte er ja einfach mitkommen.
»Ich weiß nicht.« L’il wirkt wenig überzeugt. »In New York finden doch sicher jeden Abend alle möglichen Partys statt.«
»Na, das will ich doch hofen«, sage ich. »Und ich habe nicht vor, mir auch nur eine Einzige davon entgehen zu lassen.«
Die mit Stahl und Glas verkleidete Fassade des Bürogebäudes, in dem Samantha arbeitet, wirkt schon von außen so abweisend wie eine Festung und die auf arktische Temperaturen eingestellte Klimaanlage in der riesigen Eingangshalle verstärkt diesen Eindruck noch. Wichtig aussehende Leute hetzen mit gestresster Miene an mir vorbei, während ich mich suchend umsehe, bis ich eine große Edelstahltafel entdecke, in die die Namen der hier ansässigen Firmen eingraviert sind. Nachdem ich herausgefunden habe, in welchem Stockwerk Slovey, Dinall Advertising Inc. untergebracht ist, besteige ich den Aufzug, um in die 26. Etage zu fahren.
Nach einem kaum merklichen Ruck hebt er raketenartig vom Erdgeschoss ab und mir wird ein bisschen schwindelig. Es ist das erste Mal, dass ich mit einem Aufzug solche Höhen
erklimme. Was, wenn das Seil reißt und wir in den Abgrund stürzen?
Aber die Leute um mich herum scheinen nicht im Mindesten beunruhigt. Alle halten den Blick starr auf die Anzeige gerichtet, auf der die Nummern der Stockwerke auflinken, und ihren ausdruckslosen Mienen ist nicht zu entnehmen, ob ihnen die Tatsache, dass sich hier ein halbes Dutzend Menschen auf der Fläche einer Besenkammer zusammendrängt, irgendwelches Unbehagen bereitet. Das muss so eine Art Fahrstuhl-Protokoll sein, denke ich, und bemühe mich, eine genauso ungerührte Miene aufzusetzen.
Mit mäßigem Erfolg. Als mein Blick versehentlich eine ältere Frau streift, die sich einen dicken Aktenstapel an die Brust drückt, begehe ich den Fehler, sie anzulächeln. Sie sieht hastig weg.
Plötzlich beschleichen mich Zweifel. Vielleicht ist es doch keine gute Idee, so unangemeldet an Samanthas Arbeitsplatz aufzutauchen. Trotzdem steige ich aus, als der Aufzug im 26. Stock angekommen ist, und irre suchend einen labyrinthartigen, mit weichem Teppich ausgelegten Gang entlang, bis ich mich schließlich vor einer riesigen Milchglastür mit der Aufschrift Slovey, Dinall Advertising Incorporated wiederfinde. Sie führt in einen Vorraum, in dem eine Frau mit kurzen, stachelig nach oben gegelten schwarzen Haaren hinter einer Empfangstheke sitzt. Sie sieht mich abwartend an und fragt dann mit näselnder Stimme: »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Ich habe sofort das Gefühl, zu stören. Vielleicht sollte ich das Geld einfach in einem Umschlag für Samantha hinterlegen und gleich wieder verschwinden. »Ja … ich … ich wollte zu Samantha Jones«, stammle ich verlegen. »Ist sie …?«
Die Frau wartet gar nicht ab, bis ich meine Frage zu Ende gestottert habe, sondern greift sofort zum Telefon. »Hier ist jemand für Samantha«, sagt sie in den Hörer. Anschließend erkundigt sie sich nach meinem Namen, wiederholt ihn und nickt. »Ms Jones’ Assistentin wird Sie gleich abholen«, informiert sie mich, nachdem sie aufgelegt hat. Dann greift sie nach dem neben ihr liegenden Taschenbuch und beginnt ungeniert zu lesen.
Wow, Samantha hat eine eigene Assistentin, denke ich ehrfürchtig, während
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