Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
ziemlich klein und schwächlich und musste früh lernen, mich gegen die großen bösen Jungs zur Wehr zu setzen.«
»Das kann ich mir gar nicht vorstellen, so groß wie du heute bist«, sage ich.
»Ich hatte mit achtzehn noch mal einen Wachstumsschub. Wie war das bei dir?«
»Ich habe mit sechs Jahren aufgehört zu wachsen.«
Er lacht und will gerade etwas antworten, als der Ober wieder an unseren Tisch tritt und Bernard eine Flasche Weißwein entgegenhält. »Wie immer einen Pouilly-Fuissé, Monsieur Singer?«
»Oh, ähm, ja. Danke.« Wieder huscht dieser unangenehm berührte Ausdruck über Bernards Gesicht und ich wundere mich. Das große, wenn auch leere Apartment in Sutton Place, das elegante Restaurant, der teure Wein – es ist ofensichtlich, dass Bernard wohlhabend ist. Warum benimmt er sich, als wäre ihm das peinlich oder als wäre Reichtum etwas Verwerfliches?
Das Einschenken des Weines gleicht wieder einer zeremoniellen Handlung, und als unsere Gläser gefüllt sind und der Ober endlich geht, atme ich erleichtert aus.
»Alles ein bisschen anstrengend, hm?«, spricht Bernard meine Gedanken aus.
»Warum machst du es dann mit?«
»Weil es sie glücklich macht, wenn ich am Korken schnuppere. Würde ich es nicht tun, wären sie enttäuscht.«
»Und würden dir vielleicht deinen schönen Stammplatz nicht mehr geben?«
»Ich versuche seit Jahren den Tisch dort zu bekommen.« Er deutet auf einen freien Tisch im hinteren Teil des Raums. »Aber keine Chance. Da hinten ist die sibirische Taiga«, fügt er mit theatralischem Flüstern hinzu.
»Ist es dort so einsam?«
»Menschenleer«, sagt er und zwinkert.
»Und wo steht dann dieser Tisch hier?«
»Direkt am Äquator.« Er macht eine Pause. »Aber weißt du was? Genau da gehörst du auch hin.« Er greift über die Tischplatte hinweg nach meiner Hand. »Du scheinst genau zu wissen, was du willst und das gefällt mir.«
Der Koch zieht für Bernard sämtliche Register. Nach einem Sieben-Gänge-Menü – bestehend aus einer Gemüse-Consommé, Gänseleber-Parfait, einem Krabben-Soufé, Seeteufel an Tomatenschaum, Rindermedaillons, Tarte Tatin und einem köstlichen Dessertwein, der wie Nektar schmeckt – lehne ich mich erschöpft zurück, werfe einen Blick auf meine Uhr und unterdrücke einen erschrockenen Aufschrei. »Oh nein, es ist schon kurz vor Mitternacht. Ich muss sofort nach Hause.«
»Wartet dort etwa die böse Stiefmutter auf dich, Cinderella?«
»So ähnlich«, sage ich. Zumindest würde Peggy dem Vergleich standhalten.
Einen Moment lang scheint die Zeit stillzustehen, während ich mit angehaltenem Atem darauf warte, wie er reagiert. »Dann bringe ich dich wohl besser nach Hause, oder?«, sagt er schließlich.
»Habe ich uns jetzt den Abend verdorben?«, frage ich kleinlaut.
»Ich weiß nicht. Ich hatte schon lange kein Date mehr. Wie steht’s mit dir?«
Ich zucke nur mit den Schultern und lächle geheimnisvoll.
Hand in Hand schlendern wir durch die immer noch belebten Straßen Richtung Second Avenue.
»Gute Nacht, kleine Märchenprinzessin«, sagt er, als wir bei Peggy vor der Haustür stehen. Wir sehen uns einen Moment
lang verlegen lächelnd an, bis er schließlich mit dem Zeigefinger mein Kinn anhebt, sich zu mir herunterbeugt und seine Lippen auf meine legt. Zuerst ist es nur eine zarte, fast schüchterne Berührung, doch dann wird der Kuss immer leidenschaftlicher und endet, kurz bevor eine imaginäre Linie der Lust überschritten wird.
Als wir uns voneinander lösen, zittern mir die Knie. Bernard nimmt mit sehnsüchtigem Lächeln meine Hand und haucht mir dann nach kurzem Zögern einen zärtlichen Abschiedskuss auf die Wange. »Ich rufe dich morgen an, okay?«
»Okay«, flüstere ich atemlos.
Ich sehe ihm nach, wie er langsam davonschlendert. Bevor er am Ende der Straße um die Ecke biegt, dreht er sich noch einmal um und hebt kurz die Hand. Erst als er endgültig verschwunden ist, schlüpfe ich ins Haus.
Oben an der Wohnungstür angekommen, schiebe ich so leise wie möglich den Schlüssel in das erste Schloss und drehe ihn vorsichtig um. Der Riegel springt mit metallischem Quietschen zurück.
Ich lausche mit angehaltenem Atem. Hofentlich ist Peggy von dem Geräusch nicht aufgewacht. Als es in der Wohnung still bleibt, schiebe ich den Schlüssel in das zweite Schloss.
Er dreht sich beinahe lautlos darin, aber anschließend lässt sich die Tür trotzdem nicht öfnen, obwohl ich fest dagegendrücke.
Hat Peggy vielleicht
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