Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
auch nur einziges Wort verloren, sodass ich diese beiläufigen Informationshäppchen aus ihrem früheren Leben immer hochspannend finde.
»Ich wusste nur, dass ich wegwill. Weit, weit weg.«
»Aber New Jersey liegt gerade mal auf der anderen Seite des Flusses.«
»Geografisch gesehen, ja. Aber in jeder sonstigen Beziehung befindet es sich in einer anderen Galaxie. Außerdem war New York nicht meine erste Anlaufstelle.«
»Nicht?« Jetzt ist meine Neugier erst recht geweckt. Ich kann mir Samantha an keinem anderen Ort als New York vorstellen.
»Mit achtzehn bin ich um die ganze Welt gejettet.«
Ich falle beinahe von der Couch. »Wie kam das?«
Sie lächelt. »Ich war damals Groupie von einem sehr berühmten Rockstar — ich will jetzt keine Namen nennen … Auf einem seiner Konzerte bin ich ihm aufgefallen und wir haben die Nacht miteinander verbracht. Tja, und dann hat er mich eingeladen, ihn auf seiner Tour zu begleiten, und ich war blöd genug zu glauben, dass er es ernst mit mir meint. Bis ich schließlich herausfand, dass der Mistkerl verheiratet war und seine Frau auf irgendeinem englischen Landsitz versteckte. Jedenfalls hat dieser Kofer schon die ganze Welt gesehen.«
Mich streift der Gedanke, dass Samanthas Abneigung gegen das Gepäckstück möglicherweise auch etwas mit unschönen Erinnerungen zu tun haben könnte. »Und was ist dann passiert?«
Sie zuckt mit den Achseln, greift sich einen Haufen Spitzenhöschen und fängt an, sie zu kleinen Vierecken zusammenzulegen. »Er hat mich sitzen lassen. In Moskau. Seine Frau hatte sich plötzlich dazu entschlossen, ihn auf seiner Tour zu begleiten. Eines Nachmittags wachte er auf, sah mich an und sagte: ›Tut mir leid, Baby, aber die Sache mit uns ist vorbei.‹«
»Einfach so?«
»Er war Engländer«, sagt sie und legt die kleinen Höschenquadrate in den Kofer. »So sind die verdammten Briten nun mal. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Keine Anrufe, keine Briefe, und vor allem – keine Tränen.«
»Gab es denn welche? Tränen, meine ich?« Ich kann mir Samantha nicht weinend vorstellen.
»Was glaubst du? Ich hockte mutterseelenallein in Moskau
und hatte nichts als diesen dämlichen Kofer und ein Flugticket nach New York. Natürlich habe ich vor Begeisterung Purzelbäume geschlagen.«
Meint sie das jetzt ernst? Ich bin mir nicht ganz sicher.
»Also ist der Samsonite so etwas wie dein Fluchtgepäck«, sage ich. »Und nachdem du jetzt vor nichts mehr fliehen musst, brauchst du etwas Besseres. Etwas Langlebigeres.«
Samantha gibt ein vages »Hmmm« von sich.
»Und wie geht es dir inzwischen damit?«, hake ich nach. »Wenn du zum Beispiel an einem Plattenladen vorbeikommst und das Gesicht von diesem Rockstar auf einem Poster siehst? Ist es nicht ein komisches Gefühl, wenn du darüber nachdenkst, wie viel Zeit du mit ihm verbracht hast?«
»Ich bin ihm dankbar.« Sie greift nach einem Schuh und blickt sich suchend nach dem zweiten um. »Manchmal denke ich, dass ich es nie nach New York geschafft hätte, wenn er nicht gewesen wäre.«
»Wolltest du nicht schon immer hier leben?«
Sie zuckt wieder mit den Achseln. »Ich war ein ziemlicher Wildfang. Ich hatte keine Ahnung, was ich will. Ich wusste nur, dass ich nicht als Kellnerin enden und mit neunzehn schwanger werden will. So wie Shirley.«
»Oh.«
»Meine Mutter«, fügt sie erklärend hinzu.
Wirklich überrascht bin ich nicht. Von irgendwoher muss Samanthas Ehrgeiz ja kommen.
»Du kannst dich glücklich schätzen.« Sie hat den zweiten Schuh gefunden und legt ihn zu dem anderen in den Kofer. »Du hast wenigstens Eltern, die dir dein Studium finanzieren.«
Ich nicke unverbindlich. Auch wenn sie mir gerade etwas
über ihre Vergangenheit anvertraut hat, bin ich noch nicht so weit, ihr etwas über meine zu erzählen. »Ich dachte, du hättest auch studiert.«
»Ach, Herzchen«, seufzt sie. »Ich habe ein paar Abendkurse belegt, als ich nach New York gekommen bin, und dann über eine Zeitarbeitsfirma einen Job bei der Agentur bekommen, für die ich jetzt immer noch arbeite. Ich habe als kleine Sekretärin angefangen und mich zur Assistentin hochgearbeitet. Aber das ist langweiliger Schnee von gestern.«
Nicht für mich. Allerdings stellt die Tatsache, dass sie aus dem Nichts heraus so weit gekommen ist, meine eigenen Anstrengungen ziemlich in den Schatten. »Das muss ganz schön hart gewesen sein.«
»Das war es, Küken, das war es«, ächzt sie, während sie vergeblich versucht, den Kofer zu
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