Summer and the City - Carries Leben vor Sex and the City: Band 2 (German Edition)
Capote.
»Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass dir dieser Scheiß gefallen hat?«
»Ich fand die Bilder irgendwie gut«, sage ich. »Sie hatten so etwas Verstörendes an sich.«
»Verstörend trifft es genau«, antwortet Ryan. »Man könnte auch sagen: krank.«
Capote lacht. »Du bist der lebende Beweis dafür, dass es eben nicht reicht, nach New York zu ziehen, um aus einem Kleinstädter einen Großstadtmenschen zu machen.«
»Diese Bemerkung, mein Lieber, verbuche ich als ernsthafte Kränkung«, ruft Ryan empört.
»Ich komme auch aus einer Kleinstadt«, sage ich.
»Das habe ich mir schon gedacht«, erwidert Capote.
»Ach, und du bist wohl was Besseres?«, gebe ich pikiert zurück.
»Capote stammt aus einer alteingesessenen Südstaaten-Familie, Darlin’«, ahmt Ryan Capotes singenden Akzent nach. »Seine Großmutter hat noch höchstpersönlich gegen die Yankees gekämpft — was bedeutet, dass die alte Dame ungefähr hundertfünfzig sein müsste.«
»Ich habe nie behauptet, dass meine Großmutter gegen die Yankees gekämpft hat, sondern nur, dass sie mir immer gesagt hat, ich soll nie ein Mädchen aus dem Norden heiraten.«
»Damit scheide ich wohl aus«, bemerke ich, woraufhin Ryan zustimmend kichert.
Das Abendessen findet bei den Jessens zu Hause statt. Mir kommt es vor, als wäre es Jahre her, dass L’il mich ausgelacht hat, weil ich geglaubt hatte, Rainbow und ihre Eltern würden in einem Abbruchhaus ohne fließendes Wasser leben. Allerdings stelle ich jetzt fest, dass ich mit meiner Einschätzung damals gar nicht so sehr daneben lag. Das ehemalige Fabrikgebäude wirkt nicht besonders vertrauenerweckend. Statt eines Fahrstuhls gibt es hier nur einen Lastenaufzug, dessen Gittertür von Hand aufgezogen werden muss und der sich nur mithilfe einer — ebenfalls von Hand betätigten — Kurbel in Bewegung setzen lässt.
Die Bedienung dieses Aufzugs ist Quell heller Aufregung. Als wir dazukommen, stehen schon fünf andere Leute darin, die darüber diskutieren, ob es nicht klüger wäre, nach der Treppe zu suchen.
»Schlimm, dass Leute in solche Gebäude ziehen«, beklagt sich ein blonder Mann.
»Die Miete ist günstig«, gibt Ryan zu bedenken.
»Das sollte aber nicht auf Kosten der Sicherheit gehen.«
»Was interessieren den bedeutendsten Künstler New Yorks solche Nebensächlichkeiten wie Sicherheit?«, sagt Capote mit der ihm eigenen Überheblichkeit.
»Gott, was bist du für ein Macho«, antwortet der Mann. Das Licht in der Aufzugskabine ist ziemlich schummrig und als ich mich jetzt umdrehe, um den Typen genauer in Augenschein zu
nehmen, stelle ich fest, dass es Bobby ist. Bobby von der Modenschau. Der mir eine Lesung in seinen Räumen versprochen hat.
»Bobby!« Ich brülle seinen Namen beinahe.
Ofensichtlich erkennt er mich nicht. »Hallo … ähm … Das ist ja eine Überraschung, dass wir uns hier sehen«, leiert er wie ein Automat herunter.
»Ich bin’s, Carrie Bradshaw«, helfe ich ihm auf die Sprünge.
Und plötzlich erinnert er sich wieder. »Natürlich! Carrie Bradshaw! Die Bühnenautorin.«
Capote entfährt ein Prusten, und da sich sonst anscheinend niemand dazu befähigt fühlt, übernimmt er kurzerhand die Bedienung der Kurbel. Der Aufzug rumpelt mit einem Übelkeit verursachenden Ruck nach oben, der ein paar der Insassen gegen die Gittertür schleudert.
»Bin ich froh, dass ich heute noch nichts gegessen habe«, stöhnt eine Frau in einem langen silberglänzenden Mantel.
Capote gelingt es, den Aufzug zumindest in die Nähe des dritten Stocks zu manövrieren, genauer: Die Türen öfnen sich etwa einen Meter oberhalb des Bodens. Wie immer ganz Gentleman springt er als Erster heraus und streckt der Frau in dem silbernen Mantel galant die Hand entgegen. Ryan steigt ohne Hilfe aus, gefolgt von Bobby, der nach seinem Sprung auf den Knien landet.
»Danke, aber das schafe ich gerade noch allein«, lehne ich Capotes ausgestreckte Hand ab, als ich an der Reihe bin.
»Jetzt stell dich nicht so an, Carrie.«
»Ja, ja. Versuch dich ausnahmsweise mal wie eine Dame zu benehmen«, murmle ich und greife nach seiner Hand.
»Genau. Wenigstens einmal in deinem Leben.«
Ich setze gerade zu einer spitzen Retourkutsche an, als Bobby
sich bei mir unterhakt und mich mit sich zieht. »Wir zwei Hübschen besorgen uns jetzt erst einmal etwas zu trinken, und dann erzählst du mir von deinem neuen Stück«, ruft er überschwänglich.
Der riesige ofene Raum ist mithilfe von eingezogenen
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